Mein Eierstock tut weh. Zumindest glaube ich das, denn bei uns Frauen teilen sich ja einige wichtige Organe verhältnismäßig wenig Platz im Unterleib, sodass man sich irgendwie nie ganz sicher sein kann, wo es wirklich zwickt. Wie dem auch sei, irgendwas fühlt sich komisch an. Und auch, wenn ich im Grunde weiß, dass das ziemlich sicher überhaupt nichts zu bedeuten hat, mache ich mir doch automatisch so meine Gedanken. Über meine körperliche Verfassung, meine Belastbarkeit, und darüber, dass Kranksein in meinem Fall eigentlich keine Option ist. Damit meine ich natürlich nicht den gelegentlichen Schnupfen oder eine Magen-Darm-Grippe. Das ist lästig genug, stellt aber für unser Familienleben noch keine nicht zu bewältigende Herausforderung dar. Nein, in manchen Momenten mache ich mir tatsächlich Gedanken darüber, was passiert, wenn einer von uns mal ernsthaft und längerfristig ausfällt. Falls ich von meiner Mutter selig (das sagt man so im heiligen Österreich…) außer ihrem glücklicherweise straffen Bindegewebe und ihrem unglücklicherweise dünnen Haar auch noch ihre fatale Veranlagung zum Brustkrebs geerbt haben sollte, dann würde mich das nämlich nicht nur körperlich, sondern auch logistisch irgendwie überfordern. Aber gut, man muss ja nicht gleich an Tumorzellen denken. Eine heftige Lungenentzündung würde schon reichen. Oder ein Unfall, der mich für einige Zeit ans Bett fesselt. Oder, um nicht nur schreckliche und todbringende Szenarien aufzuzählen, vielleicht sogar eine zweite Schwangerschaft, die ja schneller, als es einem lieb ist, mit Bettruhe verbunden sein kann. Wie zum Kuckuck sollte ich das dann bitte machen?
Klar wäre sowas in jedem Fall schwierig, wenn man bereits bestehenden Nachwuchs zu versorgen hat. Aber für ein Kind wie das unsere Hilfe zu finden, ist halt überhaupt eine Challenge. Es beginnt damit, dass das Auto, in dem Rosie transportiert werden muss, zum Zweck der Mitführung ihres Equipments eine entsprechende Größe braucht, und sie nicht in jedem Kindersitz sicher festgeschnallt werden kann. Sie nach dem Kindergarten oder der Schule von den Eltern einer Freundin zum Spielen mitnehmen zu lassen, scheidet daher als Betreuungsmöglichkeit genau so aus, wie dauerhaft die (eh schon nur mehr in überschaubarer Anzahl vorhandenen) Großeltern einzuspannen, vor allem, da Rosie ja mit jedem Jahr schwerer, und ihre Pflege daher körperlich eher mühsamer als einfacher wird. Man wende sich für weitere Informationen an meinen schwer gebeutelten Rücken, der selbst, wenn der restliche Körper gerade mitspielt, den Zustand „schmerzfrei“ eigentlich nicht mehr kennt.
Freunde und Freundinnen könnten vielleicht mal für einen Nachmittag einspringen, aber da mein Kind eben nicht „einfach irgendwie mitrennt“, sondern eine 1:1 Betreuung braucht, ist das für einen längeren Zeitraum natürlich auch keine Option. Niemand kann von jetzt auf gleich die Pflege für ein mehrfach-schwerbehindertes Kind übernehmen, vor allem, da die Leute ja auch ein eigenes Leben, eigene Kinder und eigene Jobs haben, und das alles auch ohne so eine Zusatzbelastung schon stressig genug ist. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass der Mann in der Selbständigkeit auch keinen Pflegeurlaub, und schon gar keine Pflegekarenz beantragen könnte, sondern dass in der Zeit, wo er nichts hackelt, einfach auch keine Kohle reinkommt, dann kann man sich vielleicht vorstellen, dass ich immer leicht nervös werde, wenn mir irgendwo was weh tut, von dem ich nicht weiß, woher es kommt.
Ich habe ja schon Zukunftsängste, die ausschließlich Rosie betreffen. Wie ihre Entwicklung verläuft, inwieweit sie einmal eine gewisse Selbständigkeit erlangen wird, ob und wann sie durch die Spasmen und die Haltungsschäden Schmerzen bekommen wird, welche Operationen im Laufe ihres Lebens noch nötig sein werden, und ob unser Gesundheits- und Sozialsystem es schaffen wird, sie Zeit ihres Lebens zu tragen, vor allem, wenn wir irgendwann nicht mehr da sein werden.
Was ich also am wenigsten brauchen kann, sind zusätzliche Sorgen, die mich selbst betreffen, und sich darum drehen, dass ich ernsthaft krank werde, einen Unfall haben könnte, meine Bandscheiben flöten gehen, oder ich es aus einem anderen Grund körperlich nicht mehr schaffe, mich um Rosie zu kümmern. Was, wenn meine unbezahlte und permanent verfügbare Care-Arbeit ausfällt?
In diesem Fall, und das wissen leider alle pflegenden Eltern, hängt man in der Luft, vor allem, wenn es schnell gehen muss. Eine Pflegekraft zu finden, die sich rund um die Uhr um ein behindertes Kind kümmert, das ja nicht nur gefüttert und gewickelt, sondern auch bespielt und bespaßt werden muss, und die einen noch dazu nicht in den finanziellen Ruin treibt, scheint mir, nach allem, was ich in den letzten 5 Jahren bezüglich Kinderbetreuung, Pflegenotstand und der äußerst langsam mahlenden Systemmühlen gelernt habe, wie ein Ding der Unmöglichkeit.
Um daher aus einem diesbezüglichen Gedankenkarussell auszusteigen und so meinen Nachtschlaf sicherzustellen, sollte ich also alsbald abklären, welche Möglichkeiten wir im Fall der Fälle hätten. Zusätzlich zu all dem, was sowieso schon auf meiner To Do Liste steht. Ich müsste mich also mit einem Problem beschäftigen, das ich noch gar nicht habe, um nicht irgendwann, wenn es vielleicht akut wird, keinen Plan zu haben. Leider gilt es aber, davor noch einige Themen abzuarbeiten, die bereits spruchreif sind, und wenig bis keinen Aufschub dulden. Und leider kommt gefühlt für jeden Punkt auf meiner Liste, hinter den ich einen Haken mache, ein neuer mit dem Vermerk „Priorität hoch“ dazu. Wann ich also bei „Dinge, die gerade nicht akut sind, aber die man wissen sollte“ ankomme? Keine Ahnung.
Manchmal wünsche ich mir eine Art Leitfaden für pflegende Eltern. Eine kleine Broschüre mit den wichtigsten Infos, in der die gängigsten Therapieformen erklärt werden, Förderungen und Unterstützungsangebote aufgelistet sind, in der man Kontakte und Telefonnummern findet, die man im Laufe der Jahre benötigen wird, und wo man nachlesen kann, welche Möglichkeiten man in einem Notfall hat. Und dann wünsch ich mir noch ein Pony. Und einen Hubschrauber. Und den Weltfrieden. Ich fang dann mal an zu recherchieren…
PS: Ich war beim Frauenarzt. Natürlich ist nix. Wollen wir hoffen, dass das für immer so bleibt.
Liebe Katharina, deine Texte sind einfach immer so „flüssig und toll“ zu lesen. Ich bin ganz begeistert!
Ich hoffe es geht euch gut?
Schön zu lesen, dass beim Arzt alles gepasst hat! 🙏 Das bleibt auch so, davon bin ich überzeugt! 🤗💪
Mathilda hatte eine Lungenentzündung, wir haben es aber ohne Krankenhausaufenthalt geschafft 💪
Ganz liebe Grüße und ein schönes Osterfest 🐣🐇 Kornelia