Die Adeli-Experience, Teil 2

Ich möchte mich bereits im Vorfeld bei all jenen entschuldigen, die jetzt auf Details zum Adeli-Rehakonzept hoffen – das wird heute nichts. Es gibt nämlich dringendere Themen, und ich muss mich, mal wieder, aufregen.

Vielleicht sollte ich einfach damit aufhören, Hilfsmittel bei der Krankenkasse einzureichen, bevor ich auf Reha fahre. Ist ja nicht so, dass die Sache hier nicht ohne mühsame Nebenschauplätze schon anstrengend genug wäre. Letztes Jahr war es der E-Fix, und auch heuer darf ich mich, zusätzlich zu Kindergebrüll und Rückenschmerzen, mal wieder über das österreichische Versicherungssystem ärgern. Das ist nämlich, laut telefonischer Auskunft, nur für Rehabilitation zuständig, also für Dinge, die geeignet sind, für eine Verbesserung des Zustandes zu sorgen. Ein Pflegebett für ein behindertes Kind anzuschaffen, ist daher nicht vorgesehen. Aber von Anfang an.

Rosie ist fast sechs Jahre alt, und obwohl sie noch immer ein ziemliches Leichtgewicht ist, können sich auch ihre 12kg recht reinhängen, wenn man sie täglich mehrmals aus dem Bett und wieder zurück hieven muss. Zudem wird sie allmählich für unseren Wickeltisch zu groß. Die naheliegende Lösung ist daher ein höhenverstellbares Pflegebett, auf dem ich Dinge wie Körperpflege oder An- und Ausziehen erledigen kann, und von dem aus ich sie, ohne mir einen Bandscheibenvorfall zu züchten, in den Rollstuhl oder in ihre Sitzschale heben kann. Es macht nämlich durchaus einen Unterschied, von welcher Höhe aus man das tut.

Natürlich gibt es Pflegebetten ums verhältnismäßig kleine Geld. Das sind dann jene hübschen, scheppernden Metallgestelle, die man aus den Krankenhäusern der frühen 90er Jahre kennt.

Die etwas teurere Variante steht derzeit in so ziemlich jedem mir bekannten Reha-Zentrum rum, aber, obwohl einigermaßen zweckmäßig, sind auch diese Betten irgendwie so gar nicht kinderzimmerfreundlich. Nennt mich anspruchsvoll, aber ich finde, nur, weil mein Kind eine Behinderung hat, darf sie trotzdem ein hübsches Kinderzimmer ohne Klinikflair haben. Es muss jetzt nicht gerade der Instagram-Hygge-Traum mit Lichterketten und rosa Betthimmel sein, aber ein bissl freundlich darf´s halt trotzdem aussehen. Abgesehen davon, dass wir uns auch bei dieser zweiten Variante finanziell schon im mittleren 4-stelligen Bereich befinden.

Ein Pflegebett, das elektrisch verstellbar ist, absenkbare Seitengitter hat, sowohl auf Arbeits- als auch auf Rollihöhe einstellbar ist, unter das man (in weiterer Folge) einen Lifter schieben kann, und das zudem auch noch ein bisschen nach Kinderbett aussieht, sodass ein 6-jähriges Mädchen sich im eigenen Zimmer auch wohlfühlen kann, kostet dann aber zwischen 7.000 und 9.000 Euro. Und das ist halt mal eine Ansage.

Anfang der Woche ist die Ablehnung der Krankenkasse eingetrudelt, die lediglich aus den Worten „keine Kassenleistung“ bestand. Auf meine telefonische Nachfrage, ob ich mein Kind dann zukünftig am Boden wickeln soll, wurde mir mitgeteilt, dass für derlei Dinge „das Pflegegeld da sei“. Aha. Rosie bekommt bei Pflegestufe 6 in etwa 1.400€ Pflegegeld. Das klingt natürlich erst mal nach viel, aber wenn man bedenkt, dass davon Therapien, diverse Umbauten und Adaptionen von Haus und Auto, eine gelegentliche Pflegeunterstützung sowie die eine oder andere Arztrechnung bezahlt werden müssen, ist es schon wieder nicht ganz so üppig. Dazu kommt, dass wir selten bis nie irgendetwas günstig oder gebraucht kaufen können. Selbst, wenn es sich nicht um Therapiematerial handelt, kann Rosie meist nur „State-of-the-Art“ Produkte benutzen, ob es sich dabei um einen Fahrradsitz oder einen Hochstuhl handelt. Wir brauchen immer das Graffl mit den meisten Gurten, der besten Polsterung und der stabilsten Bauweise, damit auch unser Kind, ohne nennenswerte Rumpfstabilität, darin sicheren Halt findet. Von Therapiespielzeug, das auch für schwerbehinderte Kinder zu benutzen ist, fange ich gar nicht erst an. Wer Interesse hat, kann ja mal im Katalog von Ariadne (https://inklusiv-shop.ariadne.de) vorbeischauen, und die Preise mit Smyth Toys oder gar Amazon vergleichen. I think I made my point.

Außerdem ist das Pflegebett ja bei weitem nicht das einzige Drum, für das sich die Kasse nicht zuständig fühlt, und die Möglichkeiten, einer lukrativen Erwerbsarbeit nachzugehen, sind bei pflegenden Eltern stark eingeschränkt, der Betrag muss also auch dazu dienen, diesen Gehaltsverlust auszugleichen. Wenn wir also all das, wovon die Kasse meint, es sei unser Privatvergnügen, vom Pflegegeld bezahlen müssten, würde Rosie zum Beispiel ihren ebenfalls dringend benötigten Dusch- und Toilettenstuhl vermutlich im Jahre 2027 bekommen. Irgendwann, wenn wir das Pflegebett abbezahlt haben, halt. Man kann sich also vorstellen, dass die Ansage der Krankenkassen-Uschi meinen Pulsschlag beschleunigt und meine Selbstbeherrschung arg strapaziert hat.

Nicht falsch verstehen, wir werden dieses verdammte Pflegebett kriegen. Aber der Aufwand, den ich dafür betreiben, die Klinken, die ich putzen, die Bittgesuche, die ich schreiben und, ganz generell, die verdammten Reifen, durch die ich springen muss, bis es so weit ist, lassen in mir die Galle hochsteigen.

Meine Laune ist also entsprechend.

Dazu kommt, dass irgendwie alle Kinder hier Spaß an den verschiedenen Therapien haben, außer meinem. Während anderswo gestrahlt und gelacht wird, brüllt Rosie sich immer wieder protestierend durch ihre Einheiten. Und zwar nicht, weil Unmögliches von ihr verlangt wird, sondern, weil sie schlicht und ergreifend keine Lust hat. Und ich gebe zu, es fällt mir schwer, dabei entspannt zu bleiben.

Am Mittwoch durfte sie probeweise an einer Musik- und Tanztherapie teilnehmen, die in Zukunft angeboten werden soll. Die Kinder bekommen dabei sogar niedliche Kostüme angezogen, und alle machten entsprechend begeistert mit. Alle. Nur ein Mädchen leistete so erbittert Widerstand, dass ich mich demnächst in unserem Stammbaum auf die Suche nach gallischer Verwandtschaft begeben werde, anders kann ich mir das Ausmaß an Rebellion nicht mehr erklären. Der anwesende Fotograf, der ein paar Schnappschüsse für die Website machen sollte, kam so wenigstens zu seiner Kaffeepause. Werbung wäre das nämlich keine geworden.  

Das Wetter passt zur Stimmung, es ist popschkalt und stürmt. Und wenn ich, als Wienerin, den Wind mal extra erwähne, dann heißt das schon was!

Morgen früh reist auch noch die Mama ab, mit der ich mich die letzten zwei Wochen hier herumgetrieben habe. Eine Deutsche mit ziemlich gutem Humor, und wir wissen, wie selten sowas zu finden ist. Ein Einhorn, quasi. (Spaß – Nina, du weißt, dass ich das mit einem Augenzwinkern schreibe!)

Es wird also, obwohl wir uns, wie ich finde, durchaus tapfer schlagen, Zeit, dass wir in den Endspurt starten, denn obwohl mein endgültiges Fazit erst nächste Woche folgt, kann ich jetzt schon sagen, dass es sich mit Adeli ein bisschen verhält wie mit Hundejahren. Drei Wochen hier zählen definitiv so viel wie sechs Wochen woanders. Die Sehnsucht nach daheim ist daher schon entsprechend groß, bei Rosie und bei mir.

T minus 7 Tage. Der Countdown läuft!

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4 Gedanken zu “Die Adeli-Experience, Teil 2”

  1. Ganz große Hochachtung und Respekt für dich. Ja in unserem System läuft offensichtlich einiges schief. Wenn ich da an meinen MOMO Schützling denke – furchtbar. Trotzdem weiterhin viel Kraft und Energie für dich und auch für Rosie. Lass uns mal die Köpfe zusammen stecken um Lösungen zu kreieren. Bin da zu jeder „Schandtat“ bereit 🤗

  2. Fühlt euch gedrückt liebe Katharina! 🤗
    Einfach eine Frechheit von wegen „keine Kassenleistung“. Mir fehlen die Worte!
    Liebe Grüße aus dem ebenfalls popschkalten Türnitz – Kornelia

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