Es gibt ein paar Dinge, die ich als absolut wichtig und hilfreich empfunden habe, vor allem im ersten Jahr, als alles noch neu, unbekannt und sehr beängstigend war. Einiges hat sich auch erst mit der Zeit als notwendig, unterstützend und mitunter auch unverzichtbar herausgestellt. Dabei handelt es sich sowohl um ganz handfeste Institutionen oder Hilfsmittel, als auch um Sichtweisen und Einstellungen, die sich für mich richtig angefühlt haben. Die folgende Liste ist daher eine wilde Mischung aus alldem, die bestimmt auch regelmäßig ergänzt werden wird. Sie erhebt daher weder einen Anspruch auf Vollständigkeit, noch darauf, allgemein gültig zu sein. Vielleicht kann aber manches, was mir geholfen hat, auch jemand anderem helfen.

A…

…wie Ambulatorium
Entwicklungsambulatorien sind Zentren, in denen interdisziplinäre ärztliche und therapeutische Betreuung für Kinder und Jugendliche angeboten wird. Details dazu gibt es unter Links + Adressen.

B…

…wie Behindertenausweis
Das Beantragen eines Behindertenausweises kann einem schwer im Magen liegen. Bei vielen Kindern zeigt sich der tatsächliche Schweregrad der Behinderung erst mit der Zeit, und es ist ein großer Schritt, zu akzeptieren, dass man tatsächlich so einen Ausweis beantragen sollte. Ich kann aber nur jedem empfehlen, es zu tun. Dem Kind geht es deswegen nicht besser oder schlechter, niemand weiß, wie es sich in Zukunft entwickelt, und bis dahin sollte man jede Hilfe in Anspruch nehmen, die einem zusteht. Mehr Infos dazu gibt es unter Links + Adressen.

C…

…wie Caritas/Calimero
Um einen Kostenbeitrag von € 65.- monatlich kann man über das Calimero-Projekt der Caritas für 3 – 6 Stunden pro Woche Unterstützung bekommen. Das System ist so organisiert, dass immer die gleiche Betreuungsperson vor Ort ist, die Familie im Alltag unterstützt und kleine Freiräume verschafft. Da die Mutter einer guten Freundin schon von Anfang an als Rosies „Leihoma“ zu uns gekommen ist, habe ich mit dem Angebot direkt keine Erfahrungen gemacht. Allerdings war eben diese Leihoma, bevor sie zu uns gekommen ist, schon für Calimero als Unterstützung für eine Zwillingsmama im Einsatz. Das ganze ist nicht mit Babysitterdiensten gleichzusetzen, es geht mehr um eine Art freundschaftliche Unterstützung und Betreuung, die freiwilligen Mitarbeiterinnen kümmern sich zum Beispiel auch gerne um Geschwisterkinder, wenn die Familie Zuwachs bekommt. Das Angebot besteht bis zum zweiten Geburtstag des jüngsten Kindes.

D…

…wie Dankbarkeit
Es ist manchmal schwer, sich auf das Positive zu besinnen, wenn man gerade einen Schicksalsschlag erlitten hat. Wir haben deswegen versucht, uns immer vor Augen zu halten, was in unserem Leben alles gut läuft, und wofür wir dankbar sein können. Vieles, was wir haben, scheint für uns oft selbstverständlich, aber das ist es ganz und gar nicht. Ob es die Tatsache ist, dass wir in einem Land mit einem guten Sozial- und Gesundheitssystem leben, dass wir einen Garten haben, dass wir uns finanziell derzeit keine Sorgen machen müssen, dass frisches Trinkwasser einfach aus der Leitung kommt, oder, dass Rosie strahlt und lacht, obwohl uns zunächst niemand sagen konnte, ob das möglich sein wird – wir konzentrieren uns oft ganz bewusst auf diese Dinge. Klar schiele ich manchmal mit einem Anflug von Neid auf andere Familien und deren herumtobende Kinder, aber wenn ich einen Schritt zurück mache und auf mein Leben blicke, dann sehe ich so viel tolle Dinge, dass ich eigentlich mit niemandem tauschen möchte. Außer vielleicht mit Elsa Pataky, aber die darf auch mit Chris Hemsworth ins Bett.

E…

…wie Entwicklungskontrollen
Diese finden ca. vierteljährlich in den oben erwähnten Ambulatorien statt. Dabei wird, gemeinsam mit den Therapeuten, eine neuropädiatrische Untersuchung durchgeführt, der Therapieplan wird bei Bedarf angepasst, die nächsten Schritte werden besprochen, und man erhält einen neurologischen Befund, was für diverse Anträge, Bewilligungen und dergleichen praktisch ist, da bei sowas am besten möglichst aktuelle Befunde vorgelegt werden sollten.

F…

…wie Freunde
Mit der Geburt eines behinderten Kindes kann es sein, dass sich die Dynamik in Freundschaften ändert. Es ist möglich, dass Leute, mit denen man immer einen guten Kontakt hatte, plötzlich Berührungsängste haben oder nicht wissen, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Man selbst hat vielleicht, vor allem Anfangs, das Bedürfnis, sich zurückzuziehen, und will niemanden an sich heran lassen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Freunde, die wirklich zählen, immer den Kontakt suchen werden, auch, wenn sie nicht wissen, was sie sagen sollen. Wie denn auch, wenn man selbst nicht weiß, was man eigentlich hören will? Aber sie werden es nicht zulassen, dass man sich komplett abkapselt und in sich selbst verkriecht. Und auch, wenn nur eine winzig kleine Hand voll Menschen übrig bleibt, die einen in so einer Situation, komme was wolle, unterstützen, hat man schon gewonnen. Ich weiß nicht, wie ich die erste Zeit mit Rosie ohne meine Freunde überstanden hatte. Sie wieder an mich heran zu lassen war eine der besten und wichtigsten Entscheidungen in meinem Leben.

G…

…wie Geduld
Die wichtigste, und für mich auch herausforderndste Lektion, die ich mit Rosie lernen musste, war es, Geduld zu haben. Ich bin jemand, für den es eigentlich nie schnell genug gehen kann. Wenn ich eine Idee habe, dann will ich sie JETZT umsetzen. Wenn ich etwas erfahren soll, dann will ich es JETZT wissen. Auch schlechte Nachrichten erhalte ich lieber früher als später, damit ich mich schon mal auf etwas einstellen kann. Man kann sich also vorstellen, wie großartig ich anfangs damit umgehen konnte, dass uns einfach niemand konkrete Antworten geben konnte. Und, oh, ich habe versucht, sie zu bekommen! Monatelang habe ich mich aufgerieben, habe Ärzte und Therapeuten gelöchert, nur, um wieder und wieder frustriert erkennen zu müssen, dass niemand in die Zukunft blicken kann. Irgendwann habe ich gelernt, zu akzeptieren, dass es Dinge gibt, die man einfach auf sich zukommen lassen muss. Diese Zen-Mentalität trage ich jetzt auch noch nicht 24/7 vor mir her, aber ich habe mich damit abgefunden, dass es, was Rosie betrifft, keine Garantien geben wird. Niemand weiß, wie weit sie kommen wird. Alles, was wir tun können, ist es, Geduld zu haben, und jeden Schritt, den sie macht, als Geschenk anzusehen. Schnell geht in unserem Leben wenig.

H…

…wie Hilfsmittel
Je älter ein Kind mit einer ICP wird, desto deutlicher zeigen sich natürlich die Auswirkungen. In Rosalies Fall war nach etwa zwei Jahren klar, dass wir an die Beantragung diverser Hilfsmittel denken müssen. Im ersten Moment ist das ein Schock, denn während alle Babys herumgetragen, gestützt und gehalten werden müssen, fällt der Vergleich natürlich viel deutlicher auf, wenn die Altersgenossen bereits sitzen, krabbeln oder laufen, während das eigene Kind sich noch nicht mal selbst umdrehen kann. Sich dann mit Worten wie „Sitzversorgung“, „Stehschiene“ oder „Orthese“ auseinandersetzen zu müssen, ist erst mal beängstigend. Ich kann allerdings aus meiner Erfahrung sagen, dass man sich selbst einen Gefallen damit tut, diese Hilfsmittel möglichst bald nicht als Be- sondern als Entlastung zu sehen. Natürlich darf man schon mal schwer schlucken, wenn man sein Kind zum ersten mal in eine Sitzschale schnallt. Unterm Strich helfen aber all diese Dinge den Kindern dabei, so gut wie möglich an allem teilzunehmen, was andere Kinder auch machen. Und gerade für diese anderen Kinder ist der Umgang mit solchen Hilfsmitteln erstaunlich schnell total selbstverständlich. Die Kinder unserer Freunde ziehen Rosie ihre ICP-Sandalen an, schieben sie mit ihrer Sitzschale durchs Haus und freuen sich schon darauf, sie mit dem Rollstuhl, den wir demnächst bekommen, endlich mit auf eine „Siedlungsrunde“ nehmen zu können.

I…

…wie Internet
Fluch und Segen. Ich habe sehr lange gebraucht, um irgendetwas zu googeln, was mit Rosies Diagnose zu tun hat. Anfangs ist das meiner Meinung nach auch eher entmutigend, da man sehr viele Bilder sieht und Geschichten liest, die man (noch) nicht hören will. „Glückliche Eltern kotzen sich nicht im Internet aus“, habe ich damals immer gesagt, und tatsächlich ist es schwer, positive Erfahrungsberichte zu finden. Die Beiträge in einschlägigen Foren haben zu Anfang für mich ein Zukunftsbild gemalt, vor dem ich große Angst hatte. Abgesehen davon, dass man auch niemals von einem Kind auf ein anderes schließen kann. Das ICP Feld ist riesig, und die Entwicklung der Kinder dermaßen unterschiedlich, dass nichts von dem, was man liest, auch auf die eigene Situation zutreffen muss. Aus diesem Grund versuche ich in diesem Blog auch, mich weniger auf Rosies konkrete Entwicklung, als viel mehr auf meine Herangehensweise, meine Gedanken, Erlebnisse und Gefühle zu konzentrieren, weil ich glaube, dass das für betroffene Familien eher hilfreich sein kann.

Wirklich praktisch wird das Internet zu einem Zeitpunkt, wo es um konkrete Hilfsangebote, Förderungen und Anträge geht. Vieles hätte ich ohne Freund Google nie erfahren, viele Anträge können online gestellt und Unterlagen heruntergeladen werden. Im Menüpunkt Links + Adressen werde ich versuchen, nach und nach möglichst alles, was mir bisher geholfen hat, aufzulisten, auf dass nachfolgende Eltern das Rad nicht neu erfinden müssen.

J…

…wie Jahresvergleich
Als Elternteil ist man meist viel zu nah dran, um die Fortschritte, die das Kind (oder auch man selbst) macht, wirklich bewusst wahrzunehmen. Immer wieder passiert es mir, dass Freunde, die Rosie seit einigen Wochen nicht gesehen haben, mich begeistert auf eine Veränderung bzw. einen Fortschritt aufmerksam machen, woraufhin ich mir dann denke: „Ha. Tatsächlich, da hat sich was getan!“ Das geht glaube ich allen Eltern so, denn der oft als nervig empfundene Großelternspruch: „Na du bist aber groß geworden!“, ist eben meist nicht bloß so daher gesagt. Die sind einfach wirklich groß geworden. Nur hat das in der sogenannten Kernfamilie irgendwie keiner bemerkt.

Aus diesem Grund ist es wichtig, sich ab und zu mal die Zeit zu nehmen, zurückzublicken, und sich und dem Kind stolz auf die Schulter zu klopfen, wenn dann deutlich wird, wie weit man schon gekommen ist. Wie viel leichter manches schon geworden ist. Wie viel besser man mit bestimmten Situationen umgeht. Wie toll das Kind mittlerweile nach einem Spielzeug greifen, den Löffel halten oder sitzen kann. Wie sich die Kommunikation verändert hat. Wie viel besser man versteht, was das Kind braucht oder will. Mein Mann und ich haben manchmal solche „Heute vor einem Jahr“ Momente. Und meistens stimmen die uns ziemlich zuversichtlich.

K…

…wie Kraftquellen
Pausen sind essentiell. Unterstützung ist wichtig. Freiraum ist ein Muss. Das sage ich aus tiefster Überzeugung, obwohl es auch bei mir lange gedauert hat, bis ich mir diese Freiräume auch selbst zugestanden habe. Ob es Sport ist, ein Spaziergang in der Natur, ein Gespräch mit Freunden, ein Weißer Spritzer in der Sonne oder eine ausgedehnte Shoppingtour – Hauptsache, man findet etwas, was einem gut tut und einen dabei unterstützt, Kraft zu tanken und den Kopf frei zu kriegen. Erlaubt ist, was hilft. Außer vielleicht der Griff zu illegalen Drogen, wir streben ja langfristige Lösungen an.

L…

…wie Loslassen
Ein für mich wesentlicher Bestandteil der Verarbeitung bestand darin, mich von dem perfekten Bild, das ich im Kopf hatte, zu verabschieden. Mama, Papa und ihr kleines Mädchen, in glückseliger Gemeinsamkeit Sonntags im Bett frühstückend, fröhliche Fahrradtouren unternehmend, gemeinsam abends kartenspielend, Friede, Freude, Palatschinken (Österreichfassung). Dieses Bild ist mit Rosies Geburt und den darauffolgenden Problemen, Befunden und Zukunftsvisionen in tausend Stücke zerbrochen. Was mir allerdings erst mit der Zeit klar wurde, ist, dass sich ausnahmslos alle Eltern von diesem perfekten Kitsch-Bild verabschieden müssen. Man ist müde, überfordert und dünnhäutig, die Kinder brüllen, trotzen und streiten, das Frühstück im Bett endet nach 5 Minuten in einem Bröselchaos, während einer durchschnittlichen Fahrradtour muss man meist etwa 10 verschiedene Dramen entschärfen, und wenn man den Fratzen vorschlägt, Karten zu spielen, wollen sie lieber fernsehen. Perfekt ist eine Illusion. Wenn man das einmal verinnerlicht hat, dann fällt es wesentlich leichter, die Dinge loszulassen, von denen man früher geträumt hat, und die jetzt, zugegeben, auch aufgrund der Umstände, manchmal nicht möglich sind. Wann immer ich mich also wehmütig in einer Situation wiederfinde, die uns durch Rosies Behinderung erschwert oder auch unmöglich gemacht wird, erinnere ich mich daran, dass sie mir jetzt auch ohne ihre CP vermutlich einfach was pfeifen würde, und ich mir meine schönen Pläne dahin stecken könnte, wo die Sonne nicht scheint. Und schon fällt es mir leichter, das Wunschbild loszulassen und das Leben eben einfach so zu nehmen, wie es ist.

M…

…wie MOKI
MOKI steht für Mobile Kinderkrankenpflege und ist ein Verein, der Eltern, wie der Name schon sagt, bei der häuslichen Pflege ihrer kranken und/oder behinderten Kinder unterstützt. Genauere Infos dazu gibt es beim Menüpunkt Links + Adressen. In unserem Fall wurde uns „die Moki“ hauptsächlich bezüglich Rosalies Fütterungsstörung, zur Gewichtskontrolle und zur allgemeinen Überwachung ihres Gesundheitszustands zur Verfügung gestellt. Viel wichtiger für mich war allerdings der seelische Beistand, den unsere Moki, die wunderbare Christine, mir und auch meinem Mann geleistet hat. Während sie sich um Rosie gekümmert hat, hat sie mir zugehört, mich aufgebaut, mir Mut gemacht, mich weinen lassen, und sie hat mich auf jeden kleinen Fortschritt aufmerksam gemacht, den Rosie oder auch ich gemacht haben. Sie war dabei (und ist mir begeistert quietschend um den Hals gefallen), als Rosie zum ersten Mal zaghaft gelächelt hat, und auch, wenn wir ihre berufliche Unterstützung heute nicht mehr brauchen, ist sie immer noch in meinem Telefon gespeichert. Nur eben mit ihrer Privatnummer. Shoutout an eine großartige Frau und Krankenschwester!

…wie Medikamente
Psychopharmaka sind für viele Menschen irgendwie immer noch ein Tabuthema. Während es gesellschaftlich völlig in Ordnung ist, sich nach drei Flaschen Prosecco mit zwei 500er Parkemed den Kater wegzudrogen, würden die wenigsten Menschen zugeben, regelmäßig Antidepressiva zu nehmen. Auch mir ist es anfangs schwer gefallen, darüber zu sprechen, aber ich versuche, möglichst kein Geheimnis daraus zu machen, denn weder muss man sich dafür schämen, noch vor irgendjemandem rechtfertigen. Ja, ich habe mir, als es mir schlecht ging, Antidepressiva verschreiben lassen, und es war eine gute Entscheidung. Wie lange ich sie noch brauchen werde? Wer weiß das schon. Im Moment geht es mir gut, so wie es ist. Und wer das Gefühl hat, ein entsprechendes Medikament zu brauchen, der sollte keine Hemmungen haben, mit einem Arzt darüber zu sprechen.

N…

…wie Netzwerk
Eine wichtige Message meiner Therapeutin war: „Man kann und soll nicht alles alleine machen.“ Auch, wenn man das Gefühl hat, dass man das alles irgendwie hinkriegt, und an sich selbst vielleicht auch den Anspruch stellt, möglichst viel selbständig schultern zu können, ist das weder vernünftig noch gesund. Es gibt Freunde, es gibt Familie, es gibt gemeinnützige Vereine, karitative Organisationen und staatliche Hilfsangebote. Und je eher man daran arbeitet, sich aus all dem ein stabiles Netzwerk zu bauen, desto eher kann man es schaffen, trotz einer unvorhergesehenen Krisensituation wieder so etwas wie Normalität zu verspüren.

O…

…wie Osteopathie
Osteopaten sind in Österreich meist Physiotherapeuten, die eine entsprechende, sehr umfangreiche, Zusatzausbildung genossen haben. Osteopathie ist ein ganzheitliches Diagnose- und Behandlungskonzept, das darauf abzielt, die Selbstregulation des Körpers anzuregen. Rosie liebt und genießt die Behandlungen, und ich kann jedem, dessen Kind irgendeine Art von Problem hat, nur wärmstens ans Herz legen, es mal, zumindest begleitend zu einer anderen Behandlung, zu versuchen. In Wien gibt es das Osteopathische Zentrum für Kinder (OZK), in dem man, da es sich um ein Ausbildungszentrum für Kinderosteopathen handelt, Behandlungen zu einem günstigeren Preis als gewöhnlich erhalten kann. Nähere Infos dazu gibt es beim Menüpunkt Links + Adressen.

P…

…wie Prosecco
Ich glaube, hier braucht es wenig Erklärung. Ab und zu muss das einfach sein, um die Nerven zu bewahren.

Q…

…wie qualifizierte Meinungen
Wenn man mit einem behinderten Kind aus dem Krankenhaus entlassen wird, steht man meist erst mal ziemlich alleine da. Die wenigsten Leute im eigenen Umfeld haben mit sowas Erfahrung. Ein wichtiger Punkt ist es daher, sich Menschen zu suchen, die wissen, wovon sie reden. Dabei kann es sich um Ärzte, Therapeuten oder andere Eltern mit ähnlichen Erfahrungen handeln. Wichtig ist aber, sich möglichst bald mit Menschen zu unterhalten, die Ahnung haben. In unserem Fall habe ich zum Beispiel recht früh bemerkt, dass ich Rosies Fütterungsstörung und deren Auswirkung nicht mit einem „normalen“ Kinderarzt besprechen kann, da der natürlich völlig andere Vorstellungen davon hat, was es heißt, wenn ein Kind wenig trinkt, als ein Spezialist, der sich mit echten Härtefällen beschäftigt.

R…

…wie Rollstuhl
Wie bereits beim Punkt Hilfsmittel erwähnt, gibt es diverse unterstützende Gerätschaften, von denen man eigentlich gehofft hat, sie nie zu benötigen. Ich selbst schwanke immer noch oft zwischen „Toll, was es alles gibt!“ und „Oarsch, was wir alles brauchen!“, aber im Grunde bin ich sehr dankbar für die Möglichkeiten, die sich dadurch für Rosie auftun.

Ich kenne Eltern, die lange mit sich gerungen haben, ob ein Rollstuhl eine gute Idee ist. Nimmt man den Kindern nicht damit die Motivation, selber gehen zu lernen? Wird man dadurch zu bequem? Verleitet einen der Rollstuhl allzu sehr dazu, ihn ausschließlich zu benutzen und keine Schritte mehr zu üben, die Beine nicht mehr zu trainieren? Ich habe das Thema mit einigen Ärzten und Physiotherapeuten besprochen, und die einhellige Meinung dazu war, dass ein Rollstuhl kein Kind dazu verleitet, nicht mehr gehen zu wollen. Im Gegenteil: Kinder, denen durch einen Rollstuhl zum ersten Mal die Möglichkeit geboten wird, sich zumindest ein Stück weit ohne fremde Hilfe fortzubewegen, sind oft eher motiviert, ihre Mobilität, auf welche Art auch immer, noch weiter auszubauen. Rosie bekommt demnächst ihren ersten Rollstuhl verpasst. Ich werde berichten.

S…

…wie Sitzversorgung
Es kommt der Moment im Leben der meisten ICP Kinder, wo es notwendig ist, den Rücken/die Hüfte/den Kopf besser zu unterstützen, und eine sogenannte Sitzschale anzuschaffen. Was so klein und harmlos klingt, ist auf den ersten Blick ein ziemliches Ungetüm, für das man mit fahrbarem Untergestell und Griffen zum Schieben schon mal etwas Platz braucht. Dafür sind die Dinger höhenverstellbar, kippbar und haben auch sonst das eine oder andere praktische Feature, und nachdem der erste Schreck darüber überwunden war, wie „therapeutisch“ unsere Sitzschale trotz ihres farbenfrohen Bezugs aussieht, konnten wir doch schnell die Vorteile für uns und für Rosie erkennen.

Es kann sein, dass die Krankenkasse sich querlegt, wenn man zuerst eine Sitzschale, und relativ bald danach (bei uns lag ein Jahr dazwischen) einen Rollstuhl beantragt. Man argumentiert hier gerne mit Doppelversorgung. Ich kann nur jedem ans Herz legen: hartnäckig bleiben lohnt sich! Mit Hilfe schriftlicher Stellungnahmen von Rosies Physiotherapeutin und Neurologin konnte ich deutlich machen, dass der Rollstuhl in unserem Fall einem anderen therapeutischen Zweck dient, nämlich dem, dass Rosie lernt, sich auch eigenständig fortzubewegen, was mit der Sitzschale nicht möglich ist. Einige Emails, Telefonate und auch persönliche Termine später wurde unser Rollstuhl schließlich doch bewilligt. Ich muss noch hinzufügen, dass ich derzeit nur wenig über die österreichische Innenpolitik nachdenken darf, denn wenn ich mir vorstelle, dass diese Streithansln alle von meinem Steuergeld bezahlt werden, während ich um einen Rollstuhl für mein Kind streiten muss, steigt mir, wie man auf gut wienerisch sagt, „es G´impfte auf“.

T…

…wie Therapie, Teil 1
Förderung ist wahnsinnig wichtig, und gibt eine große Auswahl an Therapiemöglichkeiten für Kinder. Neben klassischer Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie fallen mir noch Spezialformen wie Vojta, Feldenkrais oder Osteopathie ein, und das ist nur ein kleiner Teil dessen, was es in diesem Bereich zu entdecken gibt. Es wird hier in weiterer Folge auch eine eigene Seite mit einer Auflistung einiger Therapieformen, sowie, wenn vorhanden, mit unseren Erfahrungen dazu, geben. Kann allerdings noch ein bisschen dauern, man hat ja nebenbei auch noch ein paar andere Dinge zu tun. Kinderbespaßung zum Beispiel.

…wie Therapie, Teil 2
Neben den verschiedenen Therapiemöglichkeiten für die Kinder, geht es mir hier vor allem um Therapie für die Eltern. Ich bin ja sowieso der Meinung, dass es niemandem schadet, ab und zu mal zwecks Psychohygiene den Therapeuten seines Vertrauens aufzusuchen. Aber nach einer traumatischen Erfahrung, und dazu würde ich das Auftreten einer Behinderung beim eigenen Kind durchaus zählen, ist es umso wichtiger, sich externe Hilfe zu suchen. Ich kann natürlich nur für mich sprechen, aber nach drei Jahren Therapie kann ich, wie man sieht, ganz gut über meine Erlebnisse und Erfahrungen sprechen, während ich im ersten Jahr nach Rosies Geburt nicht mal an das Krankenhaus denken konnte, in dem sie auf die Welt gekommen ist, ohne eine Panikattacke zu schieben. Es scheint also zu wirken. Und auch, wenn das Thema Psychotherapie noch nicht so sehr in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, wie ich es mir wünschen würde: es ist keine Schande, sich Hilfe zu suchen! Ganz im Gegenteil. Sich in einem therapeutischen Setting mit sich selbst und seinen Erfahrungen auseinandersetzen zu wollen, ist ein verdammt mutiger Schritt.

U…

…wie Urlaub
Es scheint aufgrund der aktuellen COVID-Mühsamkeiten zwar gerade wie ein schlechter Witz, über dieses Thema zu schreiben, aber irgendwann werden wir ja hoffentlich alle wieder halbwegs unbeschwert den Heimathafen verlassen können, daher gibt es trotzdem ein paar Worte dazu. Vielen Menschen bereitet der Gedanke an einen Urlaub mit einem behinderten Kind eher Stress als Vorfreude, und auch wir waren lange sehr skeptisch. Mittlerweile kann ich allerdings jedem empfehlen, einfach mal ins kalte Wasser zu springen. Natürlich muss man, so wie fast immer, ein bisschen was adaptieren, das richtige Quartier finden, die Anreise entsprechend planen, aber es ist alles machbar, und ein Tapetenwechsel tut einfach gut. Wenn man dann vielleicht noch eine Oma, einen Onkel oder eine extrem selbstlose Freundin mit im Gepäck hat, dann steht der (zumindest stundenweisen) Erholung auch wirklich nichts mehr im Weg.

V…

…wie Vehemenz
Wir leben zwar in einem Land mit einem vergleichsweise guten Gesundheits- und Sozialsystem, aber man bekommt nichts geschenkt, nachgetragen oder angeboten, und erstaunlich oft muss man um Dinge streiten, die man eigentlich lieber gar nicht brauchen würde. Ob es um Therapieplätze, Krankenkassenbewilligungen oder Unterstützungsangebote geht – Hartnäckigkeit lohnt sich. Um die Nerven dafür zu bewahren, empfehle ich, ab und zu unter „P“ nachzuschauen.

W…

…wie Weinen
Weinen ist wichtig. Es ist reinigend, befreiend, erschöpfend, es löst Spannungen, es hilft, den Druck abzubauen. Ich hab vermutlich in den letzten drei Jahren mehr geweint als in den 34 Jahren davor, und ich habe gelernt, es nicht zu unterdrücken. Wenn ich weinen muss, dann weine ich eben. Es ist auch nicht notwendig, dabei jedes Mal das Zimmer zu verlassen, damit das Kind/die Kinder es auch bloß nicht merken. Mama ist nicht Wonderwoman. Rosie hat mich oft weinen sehen, und trotzdem findet sie mich irgendwie ziemlich gut…

X…

…wie x-fache Wiederholung
Kinder lernen durch Wiederholung, und üblicherweise passiert das ganz von selbst. Ein Kind greift hundert Mal am Tag nach einem Spielzeug, da geht es ziemlich flott, dass die Bewegung zielgerichtet und koordiniert aussieht. Wenn aber jedes Mal „nach dem Spielzeug greifen“ mehrere Minuten dauert, und das Kind nach dem dritten Versuch völlig erschöpft ist, dann dauert es dementsprechend deutlich länger, bis eine signifikante Anzahl an Wiederholungen erreicht ist, um ein Bewegungsmuster abzuspeichern. Das ist, sehr vereinfacht ausgedrückt, der Alltag mit einem ICP Kind. Von allein passiert wenig, und auch, wenn es (und ja, das darf man zugeben) unendlich nervt, auch bei der x-ten Wiederholung zu helfen, anzufeuern, zu loben und zu unterstützen: langfristig zahlt es sich aus.

Y…

…wie Yoga
Hier kann ich natürlich wieder nur für mich selbst sprechen, aber Yoga war und ist etwas, was mir sowohl körperlich als auch psychisch immer gut getan hat. Und das, obwohl ich auf diesem Gebiet ausgesprochen talentbefreit und auch immer noch weit davon entfernt bin, mit ausgestreckten Beinen meine Zehen berühren zu können. B.C. (Before Covid) war ich einmal pro Woche in einem Yogakurs, und habe sowohl die Asanas als auch die Gespräche, Gedanken und geistigen Lehren als beruhigend und befreiend empfunden. Wer also auf der Suche nach einer Kraftquelle ist, und noch nichts passendes für sich gefunden hat, der kann der Sache ja mal eine Chance geben.

Z…

…wie Zeit
„Gib dir Zeit!“, war ein wichtiger Satz, den ich von meiner Moki immer wieder gehört habe. „Erwarte keine Wunder. Es dauert. Du hast viel mitgemacht. Das muss man nicht in einem Jahr verarbeitet haben. Und auch nicht in 3 oder 5!“ Wahre Worte, die ich auch erst verinnerlichen musste. Aber ich habe gelernt, mir selbst und auch Rosie Zeit zuzugestehen. Natürlich bricht auch oft noch meine alte Ungeduld durch, und ich erwarte sowohl von unserer Tochter, als auch von mir, mehr, als in der bisher vergangenen Zeit möglich war. Immer öfter schaffe ich es aber, zu sehen, dass wir eigentlich ganz gut unterwegs sind, und dass es eben dauert, so lange es dauert. Die Zeit heilt bestimmt nicht alle Wunden. Aber sie hilft.

…wie zweites Kind
Über die Frage, ob und wann wir ein zweites Kind haben wollen, gibt es in unserer Familie derzeit mehrere Meinungen, oft sogar bei ein und derselben Person. Allerdings muss ich trotzdem schon jetzt betonen, dass sich meine Einstellung zu diesem Thema in den letzten drei Jahren stark geändert hat. Während ich mir in den ersten 1-2 Jahren nach Rosies Geburt am liebsten die Eileiter hätte durchtrennen lassen, weil ich mir sicher war, dass ich nie nie nie wieder ein Kind bekommen möchte, kann ich mir jetzt durchaus vorstellen, dass es zumindest eine Überlegung wert wäre. Ich sage nicht, dass ein weiteres Kind für jede Familie die richtige Entscheidung ist, sondern lediglich, dass man vielleicht ein paar Jährchen warten sollte, bevor man drastische medizinische Entscheidungen trifft. Und irgendwie kenne ich keine Familie mit einem behinderten Einzelkind. Außer uns, aber was nicht ist, kann ja, wie gesagt, noch werden.