Welche Therapien gibt es? Welche Hilfsangebote gibt es? Welche Form der staatlichen Unterstützung gibt es? An wen kann/muss/sollte ich mich wenden?
Mit diesen Fragen war ich anfangs ziemlich überfordert, da ich ehrlich gesagt auch nicht allzu viel zur Diagnose unserer Tochter googeln wollte – dabei kommen nämlich oft Dinge raus, mit denen man sich lieber erst mal nicht beschäftigen möchte. Vieles, was uns auf unserem weiteren Weg geholfen hat, habe ich daher erst viel später, durch Empfehlungen, durch Freunde und Bekannte, und irgendwann auch durch eigene Recherche, entdeckt.
Hier ein kleiner Überblick über das, womit wir bereits Erfahrungen gemacht haben, natürlich wohnortbedingt auf Wien und Niederösterreich beschränkt (die Liste wird sicher immer wieder ergänzt, ab und zu mal wieder rein schauen lohnt sich also):
Ambulatorium Wiental der VKKJ
Graumanngasse 7, 1150 Wien
+43 (0)1 982 61 54
www.vkkj.at
Die sogenannten „Entwicklungsambulatorien“ der VKKJ (das steht für „Verantwortung und Kompetenz für besondere Kinder und Jugendliche“) sind interdisziplinäre Zentren, in denen viele Therapie- und Beratungsmöglichkeiten unter einem Dach vereint werden. Solche Zentren gibt es in Wien und Niederösterreich, und so weit ich es verstanden habe, ist das Zentrum in der Graumanngasse die Zentrale, zumindest für Wien.
Nach einem Erstgespräch mit einem Arzt werden verschiedene Therapiemöglichkeiten besprochen, und sobald ein Platz frei wird, geht es auch schon los. Neben Physio- und Ergotherapie, Logopädie oder Musiktherapie und verschiedenen Gruppen für die Kinder, gibt es auch die Möglichkeit für psychologische Betreuung sowie Beratung durch Sozialarbeiter für die Eltern. Mindestens einmal pro Jahr findet, in Abstimmung mit den Therapeuten, eine ärztliche Entwicklungskontrolle statt, zudem arbeiten die Ambulatorien z.B. auch mit Orthopäden oder anderen Fachärzten zusammen, sodass man diese Termine gemeinsam mit den bekannten Therapeuten und in einem gewohnten Umfeld wahrnehmen kann. Das beste daran: es sind Kassenplätze! Der Nachteil: es gibt eine lange Warteliste, daher macht es sehr viel Sinn, sich möglichst rasch um einen Platz zu kümmern. Wir hatten unser Erstgespräch im Mai 2018, bis zum Therapiebeginn mussten wir dann noch bis September 2018 warten. Ist man aber mal drin, dann hat man seinen Platz so viel ich weiß, bis man ihn entweder nicht mehr braucht, oder das Kind eben nicht mehr unter den Begriff „Kind“ oder „Jugendlicher“ fällt.
Klinik Ottakring (ehem. Wilhelminenspital)
Abteilung für Säuglingspsychosomatik, Pavillon 4 und 5
Montleartstraße 37, 1160 Wien
+43 (0)1 49150 2908
http://klinik-ottakring.gesundheitsverbund.at
Die Abteilung für Säuglingspsychosomatik ist DIE Anlaufstelle in Wien bei Ernährungsschwierigkeiten. Auch bei Bindungsschwierigkeiten kann einem hier geholfen werden, und die Spezialambulanz für peripartale Psychiatrie (die man meist auch gut brauchen kann, wenn´s mit dem Kind so gravierende Probleme gibt) ist auch gleich daneben. Es gibt sowohl die Möglichkeit für eine ambulante, als auch für eine stationäre Behandlung, weshalb viele PatientInnen auch aus den Bundesländern kommen. Wofür man sich entscheidet, ist Sache des Geschmacks und auch der Verfügbarkeit der Plätze. Behandlungstechnisch gibt es kaum Unterschiede, da man auch in der Tagesklinik den ganzen Tag verbringt. Da es sich bei den Kindern eigentlich nur um Säuglinge oder Kleinkinder handelt, wird natürlich hauptsächlich an und mit den Eltern gearbeitet. Zum genauen Ablauf so einer Therapie wird es sicher auch einmal einen Blogpost geben. Die Länge der Warteliste ist auch hier enorm, daher würde ich jedem empfehlen, sich schon anzumelden, wenn sich Probleme ankündigen, und nicht erst, wenn der Hut so richtig brennt.
Dr. Josefine Schwarz-Gerö
Therapiezentrum Gersthof
Klostergasse 31-33, 1180 Wien
+43 (0)664 3400 160
Frau Dr. Josefine Schwarz-Gerö ist Kinderärztin und Psychotherapeutin, sie hat viele Jahre lang die Abteilung für Säuglingspsychosomatik der Klinik Ottakring geleitet. Man kann bei ihr in einem privateren Rahmen (und natürlich stundenweise, nicht ganztägig), ähnliche Hilfe bekommen wie auch in der Klinik Ottakring. Da sie Wahlärztin ist, ist das natürlich nicht ganz günstig, die Krankenkasse übernimmt aber einen Teil der Therapie. Ich habe, nachdem ich irgendwann aus dem Krankenhaussetting raus wollte, bei ihr weiter gemacht, und Rosie und ich sind mittlerweile wirklich ein gewaltiges Stück weiter gekommen. Eine ganz tolle Frau, die auch schon Bücher zu verschiedenen Themen geschrieben hat. Titel wie „Baby, warum isst du nicht?“ geben schon Aufschluss darüber, womit sie sich so beschäftigt.
Dr. Claudia Reiner-Lawugger
Lange Gasse 42/2.1, 1080 Wien
+43 (0)1 405 44 05-3
Frau Dr. Reiner-Lawugger ist Psychiaterin und Psychotherapeutin, und wenn man mit dem Thema einer postpartalen Depression zu kämpfen hat, dann kommt man an ihr kaum vorbei. Ihr Fachgebiet ist die peripartale Psychiatrie, sie leitet auch die entsprechende Abteilung der Klinik Ottakring. Sie war die erste, die mir in meinen schwärzesten Stunden die Angst vor Antidepressiva genommen hat, und noch heute bin ich dankbar für den Tipp, den ich „von der Freundin einer Freundin“ bekommen habe, zu ihr zu gehen. Auch sie ist Wahlärztin, man kann aber meines Wissens nach fast 80% der Kosten über die Krankenkasse abrechnen.
MOKI
Puchsbaumplatz 2, 1100 Wien
+43 (1) 699 166 777 00
https://www.moki.at/
MOKI steht für Mobile Kinderkrankenpflege, dabei handelt es sich um einen Verein, der Familien dabei unterstützt, ihre schwerkranken oder behinderten Kinder daheim, im gewohnten Umfeld, zu pflegen. Aktuell ist der Verein meines Wissens nach in 7 österreichischen Bundesländern tätig, ich habe hier mal die Kontaktdaten für Wien angegeben. Bei den Mitarbeiter*innen handelt es sich um diplomierte Pflegefachkräfte und Pflegeassistent*innen mit mehrjähriger Berufserfahrung im Kinder- und Jugendbereich. In Wien werden die Kosten für die meisten Leistungen vom Fonds Soziales Wien übernommen, in machen Fällen kann es auch einen geringen Selbstbehalt geben. Die angebotenen Leistungen umfassen sowohl „klassische“ medizinische und pflegerische Leistungen, als auch Beratung und das Schaffen von Freizeit für die betroffenen Kinder und vor allem deren Eltern, und reichen meines Wissens nach auch bis hin zur Hospizbegleitung. Ein toller Verein, der großartiges leistet.
OZK Osteopathisches Zentrum für Kinder
Phorusgasse 12/3, 1050 Wien
+43 (0) 676 777 66 69
https://www.ozk.at/
Das OZK ist ein Ausbildungszentrum für fertig ausgebildete Osteopathen, die eine Weiterbildung zum pädiatrischen Osteopathen machen möchten. Pro Kind arbeiten also immer mindestens ein ausgebildeter Kinderosteopath sowie ein oder mehrere Auszubildende, oft gibt es auch noch einen Supervisor. Da man immer von einigen behandelnden Personen gleichzeitig umgeben ist, nenne ich Rosies jeweiliges Team gerne unseren Hexenzirkel. Die pädiatrische Osteopathie unterstützt mit ihren spezifischen Techniken die freie Entfaltung der kindlichen Lebensenergie und des individuellen Potentials, sie korrigiert Blockaden und hilft den Kindern dabei, ihre Entwicklung, die zum Zeitpunkt der Geburt ja noch nicht abgeschlossen ist, bestmöglich fortzuführen. Beispiele für Indikationen, die osteopathisch behandelt werden können, sind unter anderem Saug- und Schluckprobleme, Reflux, Schreibabies, Schielen, Tubenkatarrh, Paukenhöhlenerguss, chronische Otitis media, Darmkoliken, Bronchitis, Asthma, chronischer Schnupfen, Zahnfehlstellungen, Lernprobleme, Verhaltensstörungen, Schiefhals, Skoliose, Hüftprobleme, rezidivierende Harnwegsinfekte, Obstipation, Autismus, zerebrale Dysfunktionen oder verzögertes Wachstum.
Natürlich gibt es einige wunderbare Kinderosteopathen in Österreich, der Vorteil dieses Zentrums liegt vor allem im Preis. Die Mitarbeiter arbeiten größtenteils ehrenamtlich, wodurch den Eltern nur ein Kostenbeitrag (mindestens € 40.-, wer mehr geben kann, ist herzlich dazu eingeladen) verrechnet werden muss, der zudem steuerlich als Spende abgesetzt werden kann.
Feldenkrais Institut Wien
Taborstraße 71/1a, 1020 Wien
+43 (0) 699 1133 1043
https://www.feldenkraisinstitut.at/
Für Kinder wie Rosie ist die Feldenkrais-Methode eine Möglichkeit, Bewegungsabläufe neu zu erlernen und fehlerhafte Bewegungsmuster abzulegen. Es geht viel darum, den eigenen Körper zu spüren und Körperteile bewusst wahrzunehmen und einzusetzen. Es wird viel innerhalb der Möglichkeiten gearbeitet, die das Kind hat, es gibt also zum Beispiel keine generelle „richtige“ Technik, sich aufzusetzen, sondern eine „für dieses Kind richtige Technik“. Für uns ist es im Moment eine schöne Ergänzung zur „klassischen“ Physiotherapie. Für Erwachsene gibt es bestimmt mehrere Anlaufstellen, allerdings konnte ich tatsächlich bisher nur im Feldenkrais Institut Wien Menschen finden, die ganz speziell mit Kindern arbeiten.
The only mistake you can make is not asking for help.
Sandeep Jauhar
Fahrtendienste
Hier nur ein paar Fahrtendienste, mit denen entweder ich selbst, oder Bekannte von mir, bereits gute Erfahrungen gemacht haben. Aufgrund des aktuellen Lebensmittelpunkts handelt es sich meist um Niederösterreichische Unternehmen.
Ursula Schüler
Rollstuhlfahrtendienst GmbH
Brunner Straße 19
2700 Wiener Neustadt
+43 (0) 2622 24 279 – 10
https://www.ursula-schueler.at/
Taxi Björkhagen
Dr. Karl Rennerstrasse 23
2630 Ternitz
+43 (0) 664 336 19 36
https://taxi-bjoerkhagen.at/
Hebenstreit
Haidbrunngasse 52b
2700 Wiener Neustadt
+43 (0) 699/16088739
https://www.hebenstreit-bus.at/
Hilfreiche Links
Einige Informationen bezüglich Förderungen und finanzieller Unterstützung findet man eher, wenn man gezielt weiß, wonach man suchen soll. Daher möchte ich im Folgenden einige Infos bereitstellen, die ich mir erst ergoogeln musste oder durch Freunde erfahren habe. Es muss ja nicht jeder bei Null anfangen:
Zum Beispiel kann über das Sozialministeriumservice eine sogenannte „Pflegekarenz“ oder „Familienhospizkarenz“ beantragt werden. Mir, als Mutter eines behinderten Kindes, war lange gar nicht klar, dass ich diese Möglichkeit habe, da in den entsprechenden Texten immer nur von sterbenden oder schwerkranken Kindern die Rede ist, und ich mein Kind ja eigentlich nicht als schwerkrank ansehe. Eine schwere Behinderung qualifiziert einen aber sehr wohl zur Inanspruchnahme einer Familienhospizkarenz. Diese kann, in Abstimmung mit dem Arbeitgeber, einmal für 5 Monate beantragt werden und dann noch einmal um 4 Monate verlängert werden. Insgesamt sprechen wir hier also von 9 Monaten, in denen man freigestellt ist, Karenzgeld bezieht, und die einem auf die Pension angerechnet werden. Durchaus nicht unwesentlich also, aber hätte mich nicht eine Freundin, die in einer ähnlichen Lage ist wie ich, darauf aufmerksam gemacht, wüsste ich bis heute nichts davon. Daher hier also der Tipp: unbedingt beantragen, mehr Infos unter Pflegekarenz.
Auch ein Antrag auf Pflegegeld sollte unbedingt bald gestellt werden, auch, wenn es sich im ersten Moment vielleicht grauslich anfühlt, so etwas überhaupt zu brauchen (zumindest war es bei mir so). Der Betrag ist auch bei niedrigeren Pflegestufen durchaus nicht unwesentlich, und für manche andere Anträge ist es hilfreich, wenn man einfach sagen kann „mein Kind hat Pflegestufe xy“, anstatt immer die diversen Befunde und Diagnosen runterbeten zu müssen. Bitte nicht wundern, wenn der erste Antrag auf Pflegegeld abgelehnt wird. Als ich, mit einem Kind mit schweren Hirnschädigungen und einer heftigen Fütterungsstörung erstmals einen Antrag gestellt habe, wurde mir mitgeteilt, in dem Alter wären alle Kinder betreuungsbedürftig. Noch heute muss ich beim Gedanken daran so heftig mit den Augen rollen, dass ich Angst habe, sie könnten hinten stecken bleiben. Also unbedingt dran bleiben, beim zweiten Versuch wurde uns für die nächsten 2 Jahre Pflegestufe 3 bestätigt. Mehr Infos unter Pflegegeld.
Hand in Hand mit dem Pflegegeld geht auch die erhöhte Familienbeihilfe,die man ab einem Behinderungsgrad von 50% zugesprochen bekommt. Dabei handelt es sich um € 155,90, die zusätzlich zur normalen Familienbeihilfe ausbezahlt werden. Mehr Infos dazu gibt es unter erhöhte Familienbeihilfe.
Grundsätzlich empfehle ich auch, sobald wie möglich einen Behindertenpass zu beantragen. Es ist zwar ein großer Schritt, die Behinderung seines Kindes zum ersten Mal schwarz auf weiß im Scheckkartenformat in der Hand zu halten, aber unterm Strich ändert der Ausweis nichts an der Situation, und wenn eben alles schon so ist, wie es ist, dann kann man wenigstens die paar Benefits, die man durch diesen Ausweis erhält, nutzen. Infos dazu gibt es unter Behindertenpass.
Hat man einmal einen Behindertenpass, kann man auch den Parkausweis für Behinderte beantragen, allerdings nur, wenn einem auch die „Unzumutbarkeit der Benutzung Öffentlicher Verkehrsmittel“ bescheinigt wird. Das hängt meiner Erfahrung nach leider auch vom zuständigen Sachbearbeiter ab. Manch einer scheint nämlich zu glauben, dass es kein Thema ist, wenn ein Kind mit drei weder sitzen, noch stehen oder gar gehen kann. Auch hier gilt, nicht entmutigen lassen. Spätestens, wenn das Kind vier ist, wird der Parkausweis üblicherweise bewilligt. Infos dazu gibt es unter Parkausweis für Behinderte.
Natürlich gibt es noch einige weitere Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung, diese habe ich aber nicht, oder noch nicht, in Anspruch genommen, teilweise einfach auch, weil Rosie dazu noch nicht alt genug ist. Sollte sich das einmal ändern, werde ich unsere persönlichen Erfahrungen gerne hier teilen. Nachlesen kann man alles unter finanzielle Unterstützung.