Das neue Normal

Urlaub zu zweit also. Nach sechs Jahren Familienferien auch mal wieder eine ganz neue Erfahrung.

Urlaub zu zweit, das heißt schweißtreibende Bergtouren, morgendliches Kuscheln im Bett, gemeinsames Abendessen in der örtlichen Pizzeria und sonnige Tage im Strandbad. Es heißt Quality Time, mitunter auch Langeweile, und dass man sich sogar mal gegenseitig auf die Nerven geht.

Und natürlich heißt es auch Schleppen, Füttern, Unterhalten, Bespaßen und Pflegen, denn mit „zu zweit“ meine ich nicht den Mann und mich, sondern das Kind und mich. Der Mann und ich sind nämlich nicht mehr der Mann und ich. Wir sind jetzt nur mehr Rosies Eltern. Und weil gemeinsam verbrachte Zeit, aufgrund der Frische der Situation und der einen oder anderen abgebrochenen Kronenzacke, derzeit nicht gerade mit Entspannungsfaktor 10/10 zu bewerten ist, folgt als logische Konsequenz: Urlaub machen wir erst mal getrennt.

Meinen „Fels in der Brandung“ habe ich ihn immer genannt. Bis er es eines Tages nicht mehr sein wollte. Bis ihm unser gemeinsames Leben zu eng geworden ist. Bis er etwas anderes wollte. Was das war, weiß ich bis heute nicht. Ehrlich gesagt glaube ich, dass er es selbst auch nicht wirklich weiß.  

Was ist das eigentlich mit Männern und der Midlife Crisis? Ich meine, ich feiere jetzt auch nicht gerade jede meiner Falten, und dass ich meine Haare mittlerweile nicht mehr färben will, sondern muss, ist auch nicht schön. Aber deswegen mein komplettes Leben in Frage zu stellen, finde ich persönlich dann halt doch etwas extrem. Dabei wirft man doch eigentlich dem weiblichen Geschlecht oft einen Hang zu Dramatisierung und Übertreibung vor. Was soll ich sagen: die Frauen in meinem Freundeskreis haben die Überquerung des offensichtlich so traumatisierenden Limes namens „40ter Geburtstag“ irgendwie alle mit mehr Würde hinter sich gebracht.

Zugegeben, die ganze Scheiße mag zum Teil auch meine Schuld sein. Immerhin habe ich ihm mitgeteilt, dass ich gerne ein zweites Kind hätte. Dass er darunter verstanden hat, sich eine Freundin zuzulegen, die unsere Tochter sein könnte, war vermutlich einfach ein Sender-Empfänger-Problem. Kann man nichts machen. Hätt ich mich halt klarer ausdrücken sollen. Wieder was gelernt.

Es hat sich jedenfalls ausgefelst, und daher gilt es, das Leben neu zu organisieren. Ist ja nicht so, dass ich nicht krisenerprobt wäre.

Ich habe jetzt eine tote Mutter, ein schwerbehindertes Kind und einen Ex-Mann. Ein ziemlich herausfordernder Hattrick, wie ich zugeben muss. Bei meinem derzeitigen Run fürchte ich mich, offen gestanden, ein bissl davor, zu meinen medizinischen Vorsorgeterminen zu gehen, denn falls in absehbarer Zeit die nächste Hiobsbotschaft um die Ecke biegt, darf man mir meine Post fürderhin gerne nach Steinhof nachschicken, der erfahrene Ostösterreicher wird wissen, was damit gemeint ist. Das Nervenkostüm ist aktuell so löchrig, dass man es problemlos auf der nächsten Pride Parade als Top tragen könnte.

Klar ist man geneigt, zu sagen, dass es jetzt dann auch mal gut sein muss, aber ich habe schon lange aufgehört, daran zu glauben, dass ja echt „nicht noch irgendwas passieren kann“. Dem Leben ist Statistik, erfahrungsgemäß, nämlich eher scheißegal.

Daher tue ich also das, was die letzten 40 Jahre schon ganz gut geklappt hat: Aufstehen. Weiter machen. Wissen, dass meine Freunde die besten sind. Darauf vertrauen, dass meine Familie zusammenhält. Meinen Wert nicht daran fest machen, ob ein bestimmter Mensch in meinem Leben mich liebt. Und vor allem, meinen Humor nicht verlieren, denn der hält mich am Laufen.

So stapfe ich also mit dem Kind in der Rückentrage über den Berg, schleppe Badetaschen und Therapiesitze über Strandbadwiesen, wuchte den Rolli über acht Treppenstufen ins leider nicht ganz barrierefreie Quartier, lese vor, spiele, schaue zum zehnten Mal „Die Olchis“, und danke dem Himmel dafür, dass er mir eine Schwiegermutter geschenkt hat, die mich zum einen nach wie vor als einen fixen Teil ihrer Familie betrachtet, und mich zum anderen auch immer wieder mal für ein paar Stunden frei spielt, damit sich die Woche in Kärnten auch für mich ein bisschen anfühlt wie Urlaub, und nicht wie ein Reha-Flashback. Ferien verbringt man am besten da, wo die Oma wohnt. Follow me for more life hacks.

Heute ist Schichtwechsel. Das Kind bleibt vor Ort, ich sitze im Zug nach Wien, und der Papa übernimmt. Ich denke über die vergangene Woche nach, und muss sagen, dieses Urlaubs-Ding haben wir fürs erste Mal gar nicht schlecht gemacht, das Bärli und ich. Wieder ein weiterer Schritt in Richtung „neue Normalität“ geschafft. Da kann man sich schon mal auf die Schulter klopfen.

Für alles Weitere bleibt mir nur, mich zukünftig selbst in die Brandung zu stellen und zu rufen: „Scheiß auf den Fels! Ich surfe die Wellen!“ Mag sein, dass ich dabei Wasser schlucke. Aber das kann ja auch erfrischend sein. Das Leben geht weiter, und es wird gut sein. Ahoi.

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6 Gedanken zu “Das neue Normal”

  1. Ich drücke dich in Gedanken ganz fest!
    Wenn du mal wen zum Reden brauchst, kannst dich sehr gerne melden. Habe selbst 3 Jahre Alleinerzieherdasein mit 2 damals noch recht kleinen Kindern erlebt, aber das ist nicht ansatzweise damit zu vergleichen, was du jetzt alleine stemmen musst. Was ich sagen will, ist jedenfalls: du wirst das schaffen!

  2. Liebe Kathi!
    Ich freue mich jedesmal, wenn es wieder einen Beitrag von dir zu lesen gibt. Du schaffst es immer wieder, auch die schlimmsten Situationen wortwitzig zu verpacken und dezent mit deinen weisen Erkenntnissen zu garnieren, die einem fix im Gedächtnis bleiben. Zum Ende gibt’s dann – egal wie groß die Kacke ist, in der du steckst – auch noch eine positive Conclusio. Auf die bin ich schon während des Lesens extra neugierig. Mal sehen, was Kathi daraus wieder an Gutem herausgequetscht hat?
    Ich weiß, du hast äußerst gut gefüllte Tage/Wochen/…, aber irgendwann wäre ein ganzes Buch ein echter Hammer!
    Vielleicht zum Anfang mal die gesammelten Blogs.
    Bis dahin, keep on surfing 🤙
    Liebe Grüße
    Sabrina

    1. Haha danke für die aufbauenden Worte – ich denke darüber nach, das Problem ist wie so oft, dass der Tag nur 24 Stunden hat, und die Wochen irgendwie so schnell vorbei ziehen…

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