Diese Seite beschäftigt sich ja grundsätzlich mit unserem Alltag als Familie mit einem (behinderten) Kleinkind, und weil das durchaus mit viel Spaß und schönen Erlebnissen verbunden ist, hat das meiste, was ich schreibe, einen humorvollen Unterton, selbst, wenn es mitunter um ernstere Themen geht. In diesem Fall geht das aber nicht, denn an dem, was wir mit unserer Tochter bei der Geburt und in den darauffolgenden Wochen (und Monaten) erlebt haben, war nichts lustig, und nur sehr wenig schön. Deswegen gibt es hier auch eine Triggerwarnung: was nun folgt, beinhaltet Schock, Trauma, Schmerz und Depression, tiefschwarze Gedanken und viele Tränen, und wer sich dem nicht, oder noch nicht, gewachsen fühlt, der sollte jetzt nicht weiterlesen, denn sugarcoaten werde ich nichts.
There are times when explanations, no matter how reasonable, just don’t seem to help.
Fred Rogers
Eigentlich war alles perfekt. Gegen 18:30 Uhr setzten die Wehen ein, um 23 Uhr trafen wir die Hebamme im Krankenhaus, um 2 Uhr früh hatte ich einen Blasensprung, und um 5 Uhr war Rosalie da. Eine Traumgeburt wie aus dem Bilderbuch. Bis zu diesem Zeitpunkt schien alles planmäßig zu laufen, niemand, weder die anwesende Ärztin, noch die Hebamme, vermittelte den Eindruck, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Nicht einmal die Tatsache, dass Rosie doch ziemlich blau aussah, machte irgendjemanden nervös, das scheint wohl öfter vorzukommen, als man denkt. Die Hebamme rubbelte zunächst noch ein wenig an ihr herum, dann hörte ich den Satz: „Sie atmet nicht!“, und ab da ging alles ziemlich schnell. Plötzlich waren alle weg: die Ärztin, die Hebamme, mein Mann und mein Kind, während ich alleine, erschöpft, verwirrt, blutend und mit heftigen Unterleibsschmerzen im Kreißsaal zurückblieb. Wenn die Glücksgefühle und der Bonding-Effekt wegfallen, merkt man nämlich recht deutlich, was der Körper bei der Geburt gerade durchgemacht hat.
Die nächsten Stunden verbrachte ich wie in Trance. Es fielen Worte wie Sauerstoffmangel, Hirnschwellung und Anpassungsstörung, und ich bekam mit, dass wir in ein anderes Krankenhaus mit einer größeren Neonatologie (also einer Säuglingsintensivstation) verlegt werden sollten. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich meiner Tochter noch kein einziges Mal ins Gesicht geblickt. Ich bestand daher darauf, sie vor der Verlegung zumindest einmal sehen zu können, und da ich zu schwach war, um aufzustehen, wurde ich mit meinem Bett auf die Neonatologie geschoben. Dort lag meine kleine Tochter in einem Brutkasten, mit Zugängen in ihren kleinen Armen, einem Schlauch im Mund, Elektroden am Kopf und einem Tuch über den Augen, und schrie sich die Seele aus dem Leib. Ich versuchte, aufzustehen und zu ihr zu gehen, aber schon nach dem ersten Schritt brach ich zusammen.
Rosie und ich wurden mit unterschiedlichen Krankentransporten verlegt, mein Mann kam mit dem Auto nach. Nachdem ich stationär aufgenommen wurde, konnten wir endlich auf die Intensivstation zu unserer Tochter, die mittlerweile sediert und, zusätzlich zu den übrigen Zugängen, auch noch über sechs Nadeln in der Kopfhaut mit einer Art EEG verbunden war. Da saß ich also, 5 Stunden nach der Entbindung, anstatt mich, im Bett liegend, von den Strapazen der Geburt zu erholen und huldvoll die ersten Glückwünsche entgegenzunehmen, auf einem harten Sessel in der Neonatologie, neben einem Brutkasten, in dem ein kleines Menschlein lag, das ich noch nie berührt hatte, nicht halten durfte und dem ich noch nicht in die Augen gesehen hatte, und ich konnte nicht glauben, dass das alles wirklich passierte.
Noch immer wussten wir nicht genau, was eigentlich geschehen war, und was das alles für Rosie und uns bedeutete. Im Gespräch mit den Ärzten wurde dann klar, dass es zu einer sogenannten „peripartalen Asphyxie“ gekommen war, also zu einem Sauerstoffmangel während der Geburt. Allerdings konnte sich keiner erklären, wie und wann das passiert war, da es offenbar keine Anzeichen dafür gegeben hatte. Viel später kam bei mir einmal der Gedanke auf, das ganze nochmal aufzurollen und untersuchen zu lassen, aber da sich dadurch weder an unserer, noch an Rosalies Situation etwas ändern würde, und ich mich nicht nochmal so intensiv mit dieser Zeit in unserem Leben auseinander setzen wollte, habe ich es nicht weiter verfolgt. Mit manchen Dingen muss man seinen Frieden anders machen, als mit Schuldzuweisungen, Erklärungen und Entschädigungen. Zumindest gilt das für mich.
Einen Tag später konnte uns noch immer niemand sagen, was die ganze Sache eigentlich für Auswirkungen gehabt hatte. Das EEG malte zwar seltsame Linien, aber Rosie zeigte äußerlich keine Krampfzeichen, und sie konnte alle vier Gliedmaßen bewegen. Die zaghafte Hoffnung, die wir uns dadurch gestatteten, wurde allerdings tags darauf, bei der Befundbesprechung nach einem spontan durchgeführten MRT, im Keim erstickt. Hier fielen das erste Mal Worte wie hochpathologisch, schwere Hirnschädigungen, bleibende Schäden, Behinderung. Und meine Welt zersprang.
An diesem Tag entließ ich mich selbst aus dem Krankenhaus, weil weder mein Mann, noch ich, den Gedanken ertragen konnten, alleine zu sein. Als frisch entbundene Mutter nach Hause zu kommen, und sein Kind nicht bei sich zu haben, ist ein surreales Gefühl. Alles ist wie immer, und dennoch scheint das eigene Zuhause plötzlich leer und fremd, weil man weiß, dass es hier jetzt eigentlich schon anders aussehen sollte. Die Lücke, die dadurch entsteht, ist körperlich wahrnehmbar.
Diese Nacht war vermutlich die schlimmste in unserem Leben. Wir haben geweint, uns aneinander geklammert, versucht, uns Mut zu machen, versucht, uns gegenseitig zu trösten, wieder geweint, versucht, zu schlafen, geredet, wieder geweint. Uns versichert, dass wir das schaffen würden. Uns gefragt, wie wir das schaffen sollten. Wir waren wütend, traurig, verzweifelt, fassungslos, und unendlich erschöpft.
In den nächsten Wochen fühlten wir uns wie ferngesteuert, jeder Tag lief gleich ab. Versuchen, etwas zu essen. Ins Krankenhaus fahren. Mit Ärzten sprechen. Neben dem Inkubator stehen. Milch abpumpen. Monitore beobachten. Nach Hause fahren. Versuchen, etwas zu essen. Versuchen, zu schlafen. Dazwischen natürlich die ewige Frage nach dem warum. Warum wir? All unsere Freunde, Familienmitglieder, Bekannten, hatten gesunde Kinder. Warum wir nicht? Warum ist uns das passiert? So etwas passiert doch nur anderen. Aber, und das mussten wir auf die harte Tour lernen, für Irgendjemanden bist du der Andere. Irgendjemandem passiert es eben. Und wen das Schicksal sich aussucht, das entscheidet es ganz alleine.
„Wir wissen es nicht“ ist der Satz, den wir von den Ärzten in dieser Zeit wohl am häufigsten gehört haben. Wir hatten tausend Fragen, und wollten konkrete Antworten, die man uns aber natürlich nicht geben konnte. „Es kann sein“, so wurde jeder Satz eingeleitet. Es kann sein, dass sie sich normal entwickelt. Es kann sein, dass sie entwicklungsverzögert ist und in ein paar Jahren alles aufgeholt hat. Es kann sein, dass sie ein schwerer Pflegefall sein wird. Es kann sein, dass die Schädigungen rein motorisch sind. Es kann sein, dass auch die kognitive Entwicklung betroffen ist. Es kann sein, dass sie weitere Krampfanfälle hat. Es kann sein, dass sie einen der nächsten Krampfanfälle nicht überlebt. Es kann sein…
Nach etwa einer Woche durfte ich meine Tochter endlich für ein paar Minuten im Arm halten. Ich weiß noch, dass ich mich in dem Moment, als ich ihre Haut auf meiner Haut spürte, das erste Mal ein kleines bisschen wie eine Mutter gefühlt habe. Bis zu diesem Zeitpunkt war Rosie weniger mein Kind, sondern ein fremdes Wesen in einem Glaskasten und ein ganzer Haufen beängstigender Befunde. In diesem Augenblick aber wurde sie real.
Nach den anfänglichen Krampfanfällen, die sich irgendwann nicht nur am EEG, sondern auch äußerlich, erkennen ließen, schienen die Medikamente, die sie bekam, anzuschlagen, und sie konnte, nach vielen Kontrollen und Überwachungen, von einigen Geräten und Zugängen befreit werden. Wir zogen erst in ein Mutter-Kind-Zimmer, und später dann auch wieder gemeinsam in unser ursprüngliches Krankenhaus, das näher an unserem Wohnort lag, um. Dort konnte irgendwann auch die Überwachung ihrer Sauerstoffsättigung beendet, und letztlich sogar ihre Magensonde entfernt werden, da sie es, entgegen der Erfahrung des zuständigen Neurologen, bereits nach ein paar Wochen schaffte, an der Flasche zu saugen. Unser Bärli war eben immer schon eine Kämpfernatur.
Nach etwas über 5 Wochen durften wir Rosie schließlich mit nach Hause nehmen. Was ich nicht erwartet hatte, war, dass die richtig harte Zeit erst jetzt begann.
Tagsüber hatte ich Angst, mit Rosie alleine zu sein. Ich lauerte über ihr, beobachtete und bewertete jede Bewegung, versuchte, Reaktionen zu provozieren, die nicht kamen. Sie nahm wenig wahr, was um sie herum geschah, und wenn, dann konnte sie es nicht zeigen. Nachts lag ich wach und hatte Angst vor der Zukunft. Ich hatte Panikattacken und Atemnot. Ich wollte nie ein behindertes Kind. Klar, wer will das schon. Aber ich hatte genau davor immer Angst. Wir haben jede Vorsorgeuntersuchung gemacht, die es gibt, um genau diese Situation zu vermeiden. Wären die Befunde auffällig gewesen, hätte ich die Konsequenzen gezogen. Es gibt Menschen, die sehen das anders. Ich bewundere deren Stärke und Mut. So stark bin ich nicht. Hätte ich die Wahl gehabt, ich hätte mich damals gegen dieses Leben als Mutter eines behinderten Kindes entschieden.
Ich haderte mit allem, konnte mit niemandem sprechen, ließ maximal meine engsten Freunde an mich heran, zog mich zurück. Ich wollte nichts Positives über meine Tochter hören. Jede Gratulation zu meinem Kind fühlte sich an, wie eine Verhöhnung. „Du bist doch nur froh, dass das nicht dein Kind ist!!!“, wollte ich den Leuten ins Gesicht schreien.
In den ersten Wochen nach einer Geburt befindet sich praktisch jede Mutter in einem Ausnahmezustand. Man weiß nicht, was dieses kleine Wesen von einem will, ist mit dem eigenen Leben und den einfachsten Dingen überfordert, hat das Gefühl, alles falsch zu machen, und die Hormone sind auch noch ein Arschloch. Zudem gibt ja auch kaum jemand zu, dass einem die Mutterliebe nicht automatisch und zwingend im Moment der Entbindung einschießt. Selbst, wenn alles gut gegangen ist, kann es durchaus sein, dass die Gefühle für das eigene Kind mitunter erst langsam wachsen. Für mich war es schwierig, zu differenzieren, ob meine Verzweiflung, meine Angst und meine Hilflosigkeit eine ganz normale Reaktion auf die ersten Wochen Mutterschaft waren, oder ob vieles davon durch unsere spezielle Situation verursacht wurde. Ich wusste nur, dass ich das alles nicht wollte. Ich wollte dieses Leben nicht. Ich wollte diese Angst und die Sorgen nicht. Und ich wollte damals auch dieses Kind nicht, von dem ich nicht wusste, ob es mich überhaupt jemals erkennen würde. Ob es Mama zu mir sagen würde. Ob ich es auch nach Jahren noch füttern, wickeln und waschen müsste. Ich wollte keine Pflegerin sein, sondern Mutter. Ich wollte die Art von Mutter sein, die in meinem Kopf existiert hat.
Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht verstanden hatte, war, dass Mutterschaft für die meisten von uns eben nicht das ist, was wir uns zuvor in unseren romantischen Stunden erträumt haben. Als Mutter ist man Krankenschwester, Pflegerin, Putzfrau, Köchin, und in den ersten Jahren, salopp ausgedrückt, einfach eine schwer unterbezahlte Bedienstete, und auf ein „Danke“ kann man selbst dann, wenn die kleinen Windelterroristen endlich sprechen gelernt haben, oft lange warten.
Man sagt ja über behinderte Kinder gerne, dass sie „spezielle Bedürfnisse“ haben. Meiner Erfahrung nach haben aber ausnahmslos alle Kinder ihre ganz speziellen Bedürfnisse, und Mütter sind irgendwie den ganzen Tag damit beschäftigt, diesen Bedürfnissen gerecht zu werden.
Nach unzähligen Panikattacken, Tränen und ins Telefon geheulten Hilferufen wurde mir damals jedenfalls klar, dass ich mehr brauchte als die Unterstützung meines Mannes und einer Handvoll Freunde. Ich brauchte professionelle Hilfe. Eine Therapeutin. Eine Psychiaterin. Medikamente.
Der Schritt, Antidepressiva zu nehmen, war unheimlich, und ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Ich hatte Angst, dass sie nicht wirken, und sich die Situation nicht verbessern würde. Gleichzeitig hatte ich Angst, dass sie zu gut wirken, und ich nicht mehr davon los kommen würde. Und über allem schwebte das schlechte Gewissen, weil ich Pillen brauchte, um meine Tochter zu lieben. Natürlich ist das eine sehr überspitzte Formulierung, und niemand außer mir hat es damals so gesehen. Aber das war der Satz, der sich in meinem Kopf im Kreis gedreht hat: Du brauchst Pillen, um dein Kind zu lieben. Einen Todesfall oder eine Trennung mit medikamentöser Begleitung zu verarbeiten, wäre mir nicht so schlimm vorgekommen. Aber für so etwas Grundlegendes wie Mutterliebe derart drastische Unterstützung zu brauchen, fühlte sich nach dem ultimativen Versagen an. Meine Tochter anzunehmen, zu lieben und die Zeit mit ihr als etwas Schönes zu betrachten, das sollte doch selbstverständlich sein. Und nur weil mein Kind nicht „perfekt“ war, fiel es mir so unendlich schwer? Was sagte das über mich als Mensch, als Mutter aus? Heute, mit etwas Abstand, kann ich viel besser verstehen, was damals in meinem Kopf abgegangen ist, und die Entscheidung, mir medikamentös helfen zu lassen, würde mir wesentlich leichter fallen. Aber rational denken kann man in so einer Situation eben kaum.
Dennoch wusste ich, dass es so nicht weiter gehen kann. Also ließ ich mir ein Medikament verschreiben, das ich noch heute gerne als den „Bullshit-Filter“ für mein Gehirn bezeichne, begann eine Therapie, kümmerte mich um Unterstützung im Alltag durch eine Leihoma, verschiedene Vereine, eine mobile Frühförderin und eine mobile Kinderschwester, und knüpfte mir dadurch ein Netz aus so ziemlich allem, was die Stadt Wien, Freunde und Familie hergaben. Und Schritt für Schritt tapste ich mich so zurück ins Leben.
An dieser Stelle muss ich betonen, dass ich in dieser absolut schrecklichsten Zeit in meinem Leben die schönste Erfahrung gemacht habe, die es gibt. Ich bin niemand, der gerne seine Gefühle preisgibt. Es gibt sehr wenige Menschen, die ich hinter die Fassade blicken lasse. Aber diese Menschen, diese wenigen, ganz arg unglaublich besonderen Seelen, waren meine Rettungsringe. Sie haben mich über Wasser gehalten. Dafür gesorgt, dass ich nicht alleine bin. Mir Essen gebracht, mich schreien und weinen lassen, mir Mut gemacht, mich zum Lachen gebracht, und zumindest momentweise dafür gesorgt, dass sich in dem ganzen Wahnsinn um mich herum irgendwas normal anfühlt. Ohne diese Unterstützung wäre ich zerbrochen. Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass meine Freunde mich in dieser Zeit gerettet haben. Vielleicht mein Leben. Zumindest aber meine geistige Gesundheit.
Depression lies. It tells you you’ve always felt this way, and you always will. But you haven’t, and you won’t.
Halley Cornell
Das Leben mit Rosie stellt mich bis heute oft vor ganz eigene Herausforderungen. Wir verbringen viel Zeit bei Therapien, eine Fremdbetreuung für mehr als ein paar Stunden gestaltet sich aufgrund ihres immer noch problematischen Essverhaltens schwierig, und sie braucht bei fast allem, was für andere Kinder in ihrem Alter völlig selbstverständlich ist, unsere Unterstützung. Mittlerweile wurde bei ihr eine „dyskinetische Cerebralparese“ diagnostiziert, das bedeutet, dass sie eigentlich immer zwischen einem zu lockeren und einem zu festen Muskeltonus hin und her schwankt, und es schwer für sie ist, die Mitte zu finden. Was das für freies Sitzen, gezieltes Greifen oder gar Gehen bedeutet, kann man sich vorstellen.
Auf der anderen Seite, und das ist viel wichtiger, ist sie aber ein fröhliches, zufriedenes und unendlich empathisches Mädchen und ein toller, ganz besonderer Mensch. Sie ist an allem interessiert, lacht viel, kuschelt gerne, scheint auch kognitiv und vor allem im Sozialverhalten ganz gut unterwegs zu sein, und teilt uns, auch, wenn sie noch nicht wirklich spricht, durchaus vehement mit, was sie möchte (und noch vehementer, was sie gerade nicht möchte). Sie macht ihre Entwicklungsschritte, zwar langsamer, als andere, aber es bewegt sich etwas. Sie hat einen eisernen Willen, möchte die Welt entdecken, und, wie mein Mann es schon ein paar Wochen nach ihrer Geburt so schön ausgedrückt hat: „Sie wird uns noch alle überraschen.“
Und das ist der Grund, wieso ich heute weiß, dass alles gut wird. Es braucht Zeit, bis man sein Kind kennen gelernt hat. Bis man es nicht nur liebt, weil es eben das eigene Kind ist, sondern aufgrund seiner vielen kleinen und großen wunderbaren Eigenschaften. Und wenn der Beginn einer Eltern-Kind-Beziehung so turbulent abläuft wie bei uns, dann ist es völlig normal, wenn es mal etwas länger dauert, bis man sich wirklich kennt. Das heißt nicht, dass das immer so sein muss. Nur, dass man sich nicht schämen muss, wenn es so ist. Bei mir hat es eine ganze Weile gedauert, und ich musste aktiv dafür arbeiten. Dafür mag man mich verurteilen, aber es ist eine Wahrheit, zu der ich stehe. Mittlerweile ist mir aber völlig klar, dass ich mir ein Leben ohne mein Bärli nicht mehr vorstellen kann.
Das bedeutet nicht, dass jeder Tag einfach ist. Ich bin immer noch manchmal überfordert, viel zu ungeduldig, und es gibt Momente, in denen der Schmerz wieder aufwallt. Wenn ich Kinder sehe, die deutlich jünger sind als meine Tochter, aber deutlich mehr können, fragt ein Teil von mir sich immer noch „warum wir“. Wenn ich ältere Kinder sehe, die geistige oder körperliche Beeinträchtigungen haben, fängt ein Teil von mir an, zu vergleichen. Wird meine Tochter auch so sein? Ist sie besser unterwegs oder schlechter? Aber dann schaue ich sie an, und sie strahlt mir ins Gesicht. Ich denke daran, wie sie morgens aufwacht und lacht. Wie sie auf meinem Schoß sitzt und mir in die Nase zwickt. Wie sie mich ansieht, wenn ich mal weinen muss. Wie sie mir ihre Hand an die Wange legt und unendlich liebe, zarte, tröstende Geräusche macht. Und dann weiß ich: ich habe das beste Kind der Welt.
You can be a mess and still be a good mom. We are allowed to be both.
@katiebinghamsmith