Botox, Baby!

Wer mir aufgrund des Titels jetzt unterstellt, ich könne die Spuren der letzten Jahre nicht in Würde akzeptieren, der hat damit zwar nicht ganz unrecht, liegt aber bezüglich des Themas dieses Beitrags dennoch weit daneben. Für die Furchen im Gesicht genügt derweil nämlich noch die Spachtelmasse von MAC in „medium-beige“. Das Botox ist fürs Kind.

Und nein, ich bin nicht der Meinung, dass sie mit ihren drei Jahren gefälligst anfangen sollte, dem Alterungsprozess entgegenzuwirken. In ihrem Fall hat das Botox (im Idealfall) eine therapeutische Wirkung.

Durch die „intramuskuläre Injektion von Botulinumtoxin“, also dem Spritzen des Wirkstoffs direkt in den Muskel (wer hätte gedacht, dass die sechs Jahre Latein nochmal zu was gut wären!), sollen, zur Behandlung von spastischen Bewegungsstörungen, bestimmte Muskeln und Muskelgruppen geschwächt werden. Dadurch werden die unwillkürlichen Bewegungen verringert, sodass es für die Patienten leichter ist, bewusste und zielgerichtete Bewegungen auszuführen. So viel zur Theorie.

In der Praxis kommen dabei natürlich noch einige Fragen und Bedenken auf. Zum einen muss diese Therapie regelmäßig angewendet werden, da Botulinumtoxin sich im Körper abbaut. Zwar kann es, im Falle von hollywoodmäßiger Mimiklähmung zwecks Faltenreduktion (Nicole Kidman, I´m looking at you) durchaus von Vorteil sein, dass die Unbeweglichkeit der Stirnpartie nicht für immer anhält, schließlich möchte man vielleicht doch ab und an noch mal eine sarkastische Augenbraue heben. Es bedeutet aber natürlich gleichzeitig, dass auch die therapeutische Wirkung bei CP-Patienten bereits nach ein paar Monaten wieder nachlässt, die Spasmen wieder stärker werden, die bewusste Bewegung wieder schwieriger wird, und man spätestens nach 6 Monaten wieder für mindestens einen halben Tag ins Krankenhaus einrücken und die gesamte Prozedur mit Voruntersuchung, Kurznarkose, Injektionen und Nachkontrollen wiederholen muss, und das, falls die Therapie die erwünschte Wirkung zeigt, vermutlich für immer.

Zweitens, und das ist auch nicht ganz unwesentlich, bleibt Botox nun mal Botox, was sich am besten in folgendem Wortwechsel zwischen Rosies Physiotherapeutin und mir zusammenfassen lässt:

Ich: „Und was spricht dann eigentlich dagegen, außer, dass ich meinem Kind ein Nervengift spritzen lasse?“

Sie: legt den Kopf schief und schaut mich an.

Ich: „Ah. Ja. Eben das…“

Natürlich hat schon der schlaue Paracelsus die Sache mit dem Gift und der Dosis so wunderschön zusammengefasst, aber so ganz ohne ist es halt doch nicht, dem Kind etwas in den Körper zu spritzen, was das Wort „Toxin“ schon im Namen trägt.

Um also diese und weitere Detailfragen zu klären, hatten wir vor einigen Tagen einen Termin mit dem Botoxprofi von Ostösterreich. Namen nenne ich hier keine, aber wer für sein ICP-Kind eine Botoxtherapie andenkt, der kommt an ihm eher nicht vorbei. Anwesend waren unsere Physiotherapeutin, unsere Neurologin, zwei weitere Damen, deren Profession ich nicht herausfinden konnte, die aber bestimmt gute Gründe hatten, dabei zu sein, und Dr. Botox himself.

Nun tendiere ich in Situationen, die mir nicht so ganz angenehm sind, dazu, die eine oder andere humorige Bemerkung zu machen, um meine Anspannung zu überspielen. Die Ärzte und Therapeuten, die Rosie seit ihrer Geburt betreuen, kennen das mittlerweile, denn die meisten Gespräche über Therapien, Behandlungsmöglichkeiten und Prognosen gehören zu den weniger erquicklichen Erlebnissen meines Alltags. Dem armen Dr. Botox war so etwas allerdings offenbar völlig fremd, wodurch er mit meinen enthusiastischen Comedyeinlagen irgendwie überfordert schien. Das Ergebnis war ein sehr, sehr skurriler Termin. Hier ein paar Beispiele unserer Konversation:

Er: „Man kann natürlich auch die Speicheldrüsen behandeln, um den Speichelfluss zu reduzieren, aber das ist bei so kleinen Kindern eine sehr filigrane Angelegenheit.“

Ich: „Ach, ich hab gehört, sie sind ein Profi, sie machen das schon!“

Er: „…“

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Er: „Wie füttern Sie sie denn?“

Ich, das Kind hochhaltend, dem die Leggins mal wieder runter rutschen: „Wie sie sehen, mit mäßigem Erfolg.“

Er: „…“

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Er (nachdem wir ja bereits über Rosies schwieriges Essverhalten gesprochen haben): „Sie müsste an dem Tag nüchtern sein!“

Ich: „Ha, nichts essen ist für mein Kind die leichteste Übung.“

Er: „…“

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Er: „Wir würden im Daumen, in den Fingerbeugern und evtl. im Bizeps spritzen.“

Ich: „Falls noch was im Fläschchen bleibt, ich hätte da auch noch so ein paar Baustellen.“

Er: „…“ (Zugegeben, den hat er sicher schon oft gehört.)

Ich geb ja zu, ich würde mich jetzt auch nicht gerade für den Österreichischen Kabarettpreis nominieren, aber dass dem Mann nicht mal ein Schmunzeln ausgekommen ist, fand ich dann doch irritierend. Selten im Leben konnte ich so gut nachvollziehen, wie sich ein Standup-Comedian fühlen muss, wenn keiner lacht.

Nach etwa 20 Minuten waren seine Reaktionen auf meine Flapsigkeiten zwar immer noch trockener als ein Wachauer Veltliner, aber zumindest alle meine Fragen beantwortet. Wir warten jetzt also darauf, einen Termin für die erste Behandlung zu erhalten, und da das bis Juli dauern kann, habe ich noch etwas Zeit, um mein Repertoire an nervositätsüberspielenden Sprüchen zu überarbeiten. Vielleicht lässt sich Dr. Botox ja im nächsten Versuch aus der Reserve locken. Ich werde berichten.

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