Abenteuer Reha, Woche 2: „Das Dreamteam feiert!“

Gilt es eigentlich als „First-World-Problem“, wenn man, da man das eigene Zuhause praktisch nur mehr mittels Holzofen wärmt, keine Heizungsluft mehr gewöhnt ist, und deswegen hustet (das Kind) und sich die juckende Haut vom Gesicht kratzen möchte (ich)? Schon klar, wenn das mein einziger, durch die absurden Energie- und Heizkosten verursachter, Stress ist, sollte ich maximal ganz leise jammern. Lästig ist´s trotzdem, und wir werfen uns dieser Mühsal ganz oldschool mit nassen Handtüchern im Zimmer entgegen. Jetzt steht zwar mit dem Wäscheständer noch ein Trumm im (für Rosies Fuhrpark eh schon zu kleinen) Zimmer herum, über das sich nachts vortrefflich stolpern lässt, aber dafür schlummern wir selig im zufriedenstellend hydrierten Raumklima.

Diese spannende Einleitung zum Thema Luftfeuchtigkeit lässt schon erahnen, wie aufregend es mal wieder hier ist. Auch innerhalb der Elternschaft geht es erfreulich harmonisch zu, was zwar aufgrund fehlender Dramen den Gossipfaktor stark negativ beeinflusst, aber unterm Strich doch alles etwas entspannter macht.

Für Stress unter den Betreuungspersonen sorgt dafür regelmäßig Post von Außerhalb und ein System, das sich für die Probleme und Wünsche von uns pflegenden Eltern maximal mit einem halben Ohr interessiert, und das höchstens einmal monatlich, Dienstags von 08:00 bis 08:30 Uhr.

Da werden fröhlich Hilfsmittel abgelehnt, ohne das Kind, das sie benötigt, jemals gesehen zu haben, oder Anträge auf Pflegefreistellung mit dem Hinweis auf den noch vorhandenen Vorjahresurlaub nicht bewilligt. Klar, sein Kind auf Reha zu begleiten, ist ja fast sowas wie Urlaub. Total erholsam. Immerhin muss man nicht kochen. (Kein Scheiß, das wurde mir mal von einer hiesigen Kinderärztin erklärt. Meinen darauffolgenden, etwas hysterischen, Lachkrampf, konnte diese Mutter zweier gesunder, nicht beeinträchtigter Kinder, irgendwie nicht so ganz nachvollziehen.)

Unsere aktuelle Ablehnung betrifft den beantragten Elektroantrieb für Rosies neuen Rolli – ein Feature, von dem unsere Physiotherapeutin, unsere pädiatrische Neurologin und unser Hilfsmittelversorger überzeugt sind, dass Rosie lernen wird, damit umzugehen, und von dem wir alle glauben, dass es ihrer Entwicklung einen deutlichen Boost geben wird, da sie damit erstmals ein Stück echte Selbständigkeit erleben könnte. Die Krankenkasse sieht das leider nicht so, da Rosie mit dem Antrieb „nicht straßenverkehrstauglich“ sei und „nicht sicher und selbständig“ damit umgehen könne. Ja klar. Muss man halt üben, sowas, vor allem wenn man fünf ist, und einem nur so mittelgutes Arbeitsmaterial in Form von erheblich spastischen Armen und Händen mitgegeben wurde. Kann man halt nicht üben, wenn man es nicht hat. Und jetzt finde den Fehler im System.  

So nutze ich also meine karge Freizeit hier, um in Telefonwarteschleifen zu hängen und per WhatsApp und E-Mail schon mal diverse Stellungnahmen und Empfehlungen einzuholen, die bestätigen, dass Rosie mit etwas Übung sehr wohl mit einem E-Fix umgehen wird können, und mit denen ich gedenke, die zuständige Fachabteilung innerhalb der nächsten Wochen zuzubomben. Nicht straßenverkehrstauglich, my ass. Wollen wir doch mal sehen, wer hier am Ende gewinnt, das letzte Wort ist da noch lange nicht gesprochen. Wenn es um Rosie und das, was ihr meiner Meinung nach zusteht, geht, entwickle ich nämlich eine Hartnäckigkeit, für die ich, wenn es mich selbst beträfe, viel zu bequem wäre. Aber wehe, meinem Kind wird etwas verwehrt. Da würde ich mich nicht mal entblöden, vor einem Kronenzeitungsjournalisten ein paar Tränchen zu zerdrücken. Wollen wir hoffen, dass es nicht so weit kommen muss. Aber, liebe SVS, fordert mich bloß nicht heraus!

Zwischen Langeweile und Ärger fand diese Woche allerdings noch etwas statt, womit wir die öde Reha-Routine ordentlich aufmischen konnten: Rosies phänomenale, bunte, laute, wilde und beispielhaft inklusive Geburtstagsparty! Fünf Jahre ist das Bärli jetzt schon alt, dabei habe ich sie doch erst vorgestern zur Welt gebracht. Das relative, elterliche Zeitempfinden ist ein Phänomen, das zu erklären selbst Einstein überfordert hätte.

Naiv und blauäugig kündigte ich ein kleines Geburtstags-Get-Together an, und plante, einen Gugelhupf auf den Tisch zu stellen, einmal Happy Birthday zu singen und Rosie hiernach am Zimmer die von daheim mitgebrachten Geschenke auspacken zu lassen. Leichtsinnig, wie ich bin, nannte ich meinen Plan im Beisein anderer Kinder einmal eine Party, woraufhin die Sache sich irgendwie verselbstständigte. Plötzlich wurde ich am Gang von aufgeregten Mädels angesprochen, die sich nicht für ein Outfit entscheiden konnten, und so manche Eltern zischten mir unter vorgehaltener Hand zu, dass sie, trotz Alkoholverbot auf der Kinderstation, schon das eine oder andere Fläschchen aufs Zimmer geschmuggelt hätten, in Rucksäcken, Jackentaschen, und einmal sogar im Puppenwagen der Tochter, denn hinter zwei Teddys und einer Babypuppe haben, wie wir jetzt wissen, locker drei Gin Tonic und ein Piccolo Platz.

Derart im Zugzwang wurde mir klar, dass ich jetzt also eine richtige Party schmeißen musste, denn in einem Kaff, in dem sonst nichts passiert, lechzt offenbar jeder nach ein wenig Entertainment. Na gut, dachte ich, mich an meine Eventmanagement Zeit erinnernd: das kann ich. Es gab also Deko, Spiele, eine verzierte Torte, Knabbereien und ausreichend Getränke, dass die Kids im Zucker- und die Eltern in einem dezenten, aber doch vorhandenen, anderen Rausch (auch bekannt als „Damenspitzerl“) auf die Zimmer gewankt sind. Vor allem aber gab es ganz, ganz viel Liebe für Rosie. Selbstgemalte Bilder, selbstgebastelte Geschenke, Schokolade, Bussis und Geburtstagslieder, und jedes Kind hat im Rahmen seiner Möglichkeiten mitgemacht und Spaß gehabt – schöner hätten wir ihren Geburtstag auch zuhause nicht feiern können. Bärli im Glück.

Motiviert durch den großen Erfolg dieses Happenings krönte ich mich selbst zum hiesigen Ballkomitee, und rief gleich das nächste Event aus: eine Pizzaparty am Samstagabend. Lieferservice sei Dank mussten wir dazu nicht die Klinikküche bemühen, und der Aufforderung „BYOB“ wurde in durchaus großzügigem Maße nachgekommen, sodass wir alle mit einem Lächeln auf den Lippen, wenn auch mit leichten Kopfschmerzen und etwas langsamer als gewöhnlich, in den folgenden Sonntag gestartet sind. Man muss die Feste eben feiern, wie sie fallen, und wenn sie mal nicht fallen, dann muss man sie halt selbst schmeißen!

Wir haben Halbzeit, und einige Familien haben es bald hinter sich, was ich ihnen natürlich von Herzen gönne, aber trotzdem schade finde. Selten hat´s so gut gepasst wie diesmal, und ich hoffe, die „Neuen“ der nächsten Woche passen gut zu denen, die noch hierbleiben. Jemanden zu haben, mit dem man spielen, spazierengehen, plaudern und hin und wieder anstoßen kann, macht das alles hier doch entschieden erträglicher.

So starten wir also mit Schwung in die dritte Woche, und ich überlege schon mal, welche kreativen Mottos mir noch einfallen, um einen Grund für ein paar Extrarunden mit dem hochprozentigen Puppenwagen zu haben. Die dazugehörige, listige Mama bleibt mir nämlich für die nächste Woche erhalten, und das gehört selbstverständlich ausgenutzt, damit uns nicht fad wird. Vier Wochen sind lang, aber ich werde eindeutig geschickter dabei, das Beste draus zu machen. Es muss ja. Dann kanns ruhig auch manchmal lustig sein.  

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6 Gedanken zu “Abenteuer Reha, Woche 2: „Das Dreamteam feiert!“”

  1. Vielen Dank, dass ich an der tollen Party teilhaben durfte, wir haben es alle sooo genossen. Der Puppenwagen war echt so lustig. Du und Rosie seid wunderbar! Liebe Grüße und noch viel Spass mit meinem Kind plus Papa. Romy vom Affenzimmer

  2. Griaste Kathi 🤗 Wieder gut geschrieben 🤗 da Rosalie nachträglich alles Gute und viel Liebe zum Geburtstag 🎂und trotz der Umstände noch eine schöne Zeit.

    Brigitte und Berti

  3. Ich bin einfach wieder vollkommen begeistert Katharina! 🤣 Ich habe schon sehnsüchtig gewartet auf diesen Blogbeitrag.
    Trotz aller Umstände, und das soll jetzt nicht blöd klingen, bin ich sehr froh und dankbar, dass uns das Leben hier zusammen geführt hat. Danke! LG Kornelia

    1. Ich weiß, wie du es meinst, und ich freu mich auch 🙂 Das Leben tut eh, was es will. Wenigstens lernt man so Menschen kennen, denen man sonst vielleicht nie über den Weg gelaufen wäre.

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